Auszeichnungen

Prix Goncourt für Jean-Paul Dubois

Jean-Paul Dubois.
Jean-Paul Dubois.(c) REUTERS (Charles Platiau)
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Der wichtigste französische Literaturpreis ging an einen viel gelobten Außenseiter im Rennen. Am Abend wurde das österreichische Pendant verliehen.

Es soll nicht untergehen: Österreich hat seinen eigenen Buchpreis, auch wenn er im Schatten der großen steht und am Montagabend erst zum vierten Mal verliehen wurde. An wen stand zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Ins Finale kamen Raphaela Edelbauer, die mit „Das flüssige Land“ schon auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, Norbert Gstrein mit „Als ich jung war“, Sophie Reyers „Mutter brennt“ und Karl-Markus Gauß mit seiner „Abenteuerlichen Reise durch mein Zimmer“.

Schon zu Mittag hatten sich die Franzosen entschieden, wie es sich seit jeher gehört in einem Pariser Restaurant. Der Prix Goncourt kann auf ein Preisgeld de facto verzichten (es geht um symbolische zehn Euro), weil sein verkaufssteigernder Effekt so massiv ist – im Schnitt 367.000 Exemplare. Nun wissen die Franzosen also, welches Buch sie zu Weihnachten verschenken: „Tous les hommes n'habitent pas le monde de la même façon“ (Nicht alle Menschen bewohnen die Welt auf dieselbe Weise) von Jean-Paul Dubois. Eine ausgezeichnete Wahl, sind sich die Kritiker einig. Sie rühmen den Roman über einen Hausmeister, der im Gefängnis landet und dort sein gescheitertes Leben Revue passieren lässt, als humorvoll, intelligent und von viel menschlicher Wärme geprägt.

Bärfuss' akklamierte Rede

Dabei war der 69-jährige Dubois nur der Außenseiter im Rennen um den wichtigsten französischen Literaturpreis. Als Favoritin galt die belgische Bestsellerautorin Amélie Nothomb, mit „Soif“ (Durst). Aber ihr 28. Roman verkauft sich auch ohne diese Auszeichnung bereits seit Wochen bestens.

Umstrittener ist die Entscheidung der Jury beim Prix Renaudot, der als bewusstes Komplement zum Goncourt gleich anschließend verliehen wurde. Für „La Panthère des neiges“ (Der Schneepanther) hat Sylvain Tesson einen Tierfotografen in die eisigen Höhen Tibets begleitet. Was den einen auch literarisch als eindrucksvolles Experiment gilt, halten andere nur für ein Öko-Manifest, gespickt mit antimodernen und antihumanistischen Klischees.

Mit Spannung erwartete man am Wochenende auch die Dankesrede des Schweizer Schriftstellers Lukas Bärfuss für die Verleihung des Büchner-Preises, den er im Juli gewonnen hatte. Der Autor, der in seinen Romanen etwa über den Völkermord in Ruanda schreibt, stellte sich die rhetorische Frage: Wie soll er seinen Kindern „Zuversicht und Vertrauen schenken“, wo doch sein Werk ein „Zeugnis für die menschliche Niedertracht und Grausamkeit“ sei? Die Antwort fiel schlicht, pathetisch und bewusst ironiefrei aus: „Wer den letzten Krieg vergisst, bereitet den nächsten vor.“ Und: „Die Nazis sind überhaupt nie weggewesen.“ Dagegen schreibe er an, weil für ihn wie für Büchner „Zynismus und Resignation nur andere Worte für Feigheit sind“ – und er an der Möglichkeit einer Menschheit in Frieden festhalten wolle. (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2019)

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