Großbritannien

Bericht über mögliche russische Wahlbeeinflussung setzt Johnson unter Druck

APA/AFP/TOLGA AKMEN
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Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Parlaments beschuldigt den britischen Premier, ein Papier über russische Einflussnahme auf britische Wahlen absichtlich nicht zu veröffentlichen.

Der britische Premierminister Boris Johnson gerät vor der vorgezogenen Neuwahl im Dezember unter Druck: Die Regierung des Tory-Chefs will vor dem 12. Dezember einen Bericht über die mögliche Einmischung Russlands in britische Wahlen nicht veröffentlichen. Der Report, der auch die russische Einmischversuche auf das Brexit-Referendum 2016 und die Parlamentswahlen 2017 untersucht, wurde im März vom Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss des Parlaments, der die Geheimdienstmaschinerie des Landes überwacht, fertig gestellt.

Eine Veröffentlichung bedarf aber die Zustimmung des Premiers. Und soll sie noch vor der Wahl geschehen, müsste Johnson noch am Dienstag, bevor das Parlament aufgelöst wird, zustimmen. Der Vorsitzende des Ausschusses, Dominic Grieve, beschuldigte Johnson vergangene Woche, das Erscheinen zu verzögern.

Im Gegensatz zu den USA, wo der Bericht von Sonderermittler Robert Mueller belegte, dass Moskau bei der Präsidentschaftswahl 2016 seine Finger im Spiel hatte, gibt es solche stichhaltigen Beweise für britische Wahlen bisher nicht. Doch Grieve argumentiert, der Bericht des Sicherheitsausschusses enthalte Informationen, die für Wähler „von Belang“ seien.

Grieve von Johnson aus Fraktion ausgeschlossen

Grieve wurde von Johnson aus der Tory-Fraktion ausgeschlossen, weil er sich im Brexit-Streit gegen die Regierung gestellt hatte. Er will als unabhängiger Kandidat bei der nächsten Wahl antreten.

Der frühere Chef des Geheimdiensts MI5, Jonathan Evans, forderte eine Erklärung. "Falls die Regierung einen Grund hat, warum (der Bericht) nicht vor der Wahl veröffentlicht werden soll, dann sollte sie dies sehr deutlich begründen", sagte Evans dem Sender BBC Radio 4 am Dienstag.

Wogen gehen hoch

Die Labour-Außenpolitikerin Emily Thronberry kritisierte, die Verzögerung der Publikation sei "völlig ungerechtfertigt" und sei "eindeutig politisch motiviert". "Was haben sie zu verbergen?", fragte die Abgeordnete, die die Regierung erst kürzlich nach Verbindungen des Johnson-Beraters Dominic Cummings nach Russland gefragt hatte. Cummings war auch verantwortlich für die Strategie der Brexit-Kampagne.

Chris Pincher, Staatssekretär im Außenministerium, wies dies als "Verschwörungstheorie" zurück. "Es gibt keinen Beweis, dass Russland es geschafft hat sich, in die britische Wahl einzumischen", sagte er. Der Bericht basiert auf einer Analyse der Daten britischer Geheimdienste und von Experten. Der Prozess zur Genehmigung seiner Veröffentlichung begann bereits im März, bevor die Analyse Mitte Oktober Johnson vorgelegt wurde. Dieser hätte laut "Guardian" eigentlich letzte Woche grünes Licht für die Veröffentlichung geben sollen.

Wie die Tageszeitung "Guardian" berichtete, hat Johnson den Bericht bereits am 17. Oktober erhalten. Die Bearbeitung dauere normalerweise nur zehn Tage, sagte Grieve. Downing Street betonte hingegen, für die Freigabe seien rund sechs Wochen nötig.

Gleichzeitig berichtet der „Guardian“ über Beweise, dass der Kreml jahrelang über einen russischen Diplomaten versuchte, die konservativen Partei zu infiltrieren. Der Diplomat Sergey Nalobin habe in seiner Zeit in London an exklusiven Veranstaltungen der Tories teilgenommen und dort führende Konservative, auch Boris Johnson, getroffen.

(red.)

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