Interview

„Arbeitskräfte, Anbindung, Ausbildungsbereitschaft - das ist unser Triple A“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will das Burgenland zum Klimaschutzvorreiter machen. Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen um 90 Prozent gesenkt werden.

Herr Landeshauptmann, im Jänner wählt das Burgenland einen neuen Landtag. Können Sie sich eine Neuauflage von Rot-Blau vorstellen?

Hans Peter Doskozil: Ich halte generell nichts von diesen Planspielen rund um mögliche oder unmögliche Koalitionen vor einer Wahl. Das zeugt von mangelndem Respekt gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Die Bevölkerung entscheidet, wie sich die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Landtag zusammensetzen werden. Dieses Votum ist abzuwarten. Erst danach denken wir über Koalitionen nach. Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit in einer Regierung auf Augenhöhe, mit Vertrauen und ohne täglichen Streit funktioniert. Dafür stehe ich in der bisherigen Regierungskonstellation, und dafür werde ich auch nach dem 26. Jänner stehen.

Die Themen Klimaerwärmung und Umweltschutz werden wohl auch auf Landesebene eine wichtige Rolle spielen: Was tut das Land Burgenland, um die CO2-Belastungen zu verringern? Was muss Ihrer Meinung nach noch geschehen?

Das Burgenland hat mit der Energiewende ein europaweites Vorzeigeprojekt für den Klimaschutz umgesetzt. Heute wird schon weit mehr Strom aus erneuerbaren Energien im Burgenland produziert, als wir selbst verbrauchen. Aber auch in anderen Bereichen wollen wir eine Vorreiterrolle übernehmen: So soll unsere Biowende in der Landwirtschaft auch zum Klimaschutz beitragen, weil die regionale Landwirtschaft gestärkt wird und Biobauern mehr regionale Absatzmärkte – z. B. durch Umstellung der Küchen von Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten – finden werden. Landesrätin Astrid Eisenkopf hat überdies eine eigene Klima- und Energiestrategie in Angriff genommen, die darauf abzielt, dass wir bis 2050 den gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen beziehen und die Treibhausemissionen um 90 Prozent senken. Da werden wir in vielen Bereichen ansetzen: von der Mobilität bis zum Wohnen. Ab Herbst 2021 werden wir z. B. Wasserstoffbusse im öffentlichen Verkehr einsetzen – darin stecken auch große wirtschaftliche Chancen, weil wir von der Ökostromproduktion jetzt zur Ökostromanwendung übergehen können.

In Zeiten einer schwächer werdenden Wirtschaft wächst auch die Gefahr von Jobverlust. Bei Mars in Breitenbrunn sind mehr als 100 Arbeitsplätze gefährdet. Was kann die Politik tun, um Unternehmen und somit auch Jobs zu halten? Welche Standortstrategie gibt es?

Generell muss man festhalten, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Burgenlands gut ist und wir auch einen historischen Höchststand bei der Beschäftigung haben. Aber natürlich ist die Politik in jedem wirtschaftlichen Krisenfall gefordert – denn jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. Der Standort Burgenland ist höchst attraktiv geworden, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern – in letzter Zeit haben sich etliche hochkarätige Unternehmen neu angesiedelt oder Ansiedlungspläne in Angriff genommen, etwa Sigmapharm in Hornstein oder der internationale Autozulieferer IAC in Neutal. Hauptmotive sind immer: gute Lage, topmotivierte Arbeitskräfte, die Kooperationsbereitschaft des Landes bei nötigen Ausbildungsmaßnahmen und rasche Verfahrensabwicklung. Genau mit diesen Assets werden wir international noch stärker auftreten – gleichzeitig wird mit dem Bau der S7 im südlichsten Burgenland auch der Businesspark Heiligenkreuz massiv aufgewertet und auch in diesem Landesteil die Attraktivität für Ansiedlungen weiter gesteigert.

Warum sollen sich Unternehmen im Burgenland – und nicht etwa in Wien ansiedeln?

Ich sehe uns nicht in einer Konkurrenzsituation mit Wien – in Wirklichkeit müssen wir das Dreieck zwischen Wien, Bratislava und Graz mit dem Burgenland als Zentrum als gemeinsame Wachstumsregion entwickeln. Und das tun wir auch. Für das Burgenland sprechen aber in vielen Fällen die oben angeführten Fakten: Arbeitskräfte, Anbindung, Ausbildungsbereitschaft – das ist gewissermaßen unser „Triple A“. Dazu schätzen viele Betriebe auch, dass hier eine enorm hohe Lebensqualität für Mitarbeiter und Führungskräfte besteht. Und mit den Fachhochschulstandorten in Eisenstadt und Pinkafeld gibt es auch hochwertige Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, deren Nähe sehr fruchtbar sein kann.

Sehr viele Burgenländer pendeln nach Wien oder ins Wiener Umland (Flughafen Wien). Die Folgen sind fast täglich im Verkehrsfunk zu hören. Welche Verkehrs- und Infrastrukturprojekte stehen da an bzw. sollten Ihrer Meinung nach in Angriff genommen werden?

Wir setzen auf einen gezielten Ausbau des öffentlichen Verkehrs, natürlich stark in Abwägung der jeweiligen regionalen Voraussetzungen. Das bedeutet, dass wir im Nordburgenland den Bahnverkehr verdichten und ausbauen müssen; im Süden setzen wir noch stärker auf rasche, hochwertige Busverbindungen – nach Wien, neuerdings aber auch nach Graz. Meine Zukunftsvision ist, dass wir die Anbindung nach Wien durch zwei große Verkehrsknoten mit regionalen Zubringern – einer jeweils im Nord- und im Südburgenland – noch attraktiver gestalten könnten. Gleichzeitig ist auch eine fristgerechte Umsetzung paktierter Straßenverbindungen nötig: Das reicht von der S7 im Süden über den Verkehrssicherheitsausbau der S31 und S4 bis zum Ausbau der A4 im Landesnorden. Das sind Infrastrukturadern, die wir in leistungsfähiger und sicherer Form für weiteres Wachstum brauchen.

Wenn von steigenden Immobilienpreisen die Rede ist, dann blicken die meisten nach Wien. Doch das Nordburgenland zählt zu jenen Regionen Österreichs mit dem stärksten Zuzug und den prozentuell stärksten Preisanstiegen. Was kann die Landesregierung dagegen tun, welche Maßnahmen sind hier geplant?

Das hängt mit der bereits erwähnten Tatsache zusammen, dass wir Teil einer großen Wachstumsregion sind. Faktum ist aber: Das Burgenland weist die im Österreich-Vergleich niedrigsten Wohnkosten – sowohl bei Mieten als auch bei Einfamilienhäusern – auf. Leistbares Wohnen ist bei uns kein Schlagwort, sondern gelebte Realität. Das ist kein Zufall, sondern hat unmittelbar damit zu tun, dass wir über die attraktivste Wohnbauförderung verfügen und auch im Genossenschaftsbau sehr aktiv sind. Unser Modell der ,Starterwohnungen‘ ist beispielsweise ein wichtiger Beitrag, um junge Menschen beim Aufbau einer eigenen Existenz zu unterstützen und in den Gemeinden zu halten. Diese Wohnbauförderung haben wir vor Kurzem sogar noch verbessert – mit dem Effekt, dass auch die Nachfrage stark angezogen hat. Wir haben – neben zusätzlichen Anreizen für Familien und sozial schwächere Menschen – ganz bewusst auch Anreize für ökologisches und bodensparendes Bauen gesetzt. Dieses gute Gesamtpaket gilt es weiterzuentwickeln.

Der Tourismus gewinnt rasant an Bedeutung. Wo kann das Burgenland touristisch in Zukunft stärker punkten?

Das Burgenland hat in den letzten Jahren einen großen Strukturwandel im Tourismus geschafft – von den klassischen Sommerferien am Neusiedler See zum qualitätsbewussten Ganzjahrestourismus in großartiger Natur und hochwertigen Thermal- und Wellness-Oasen. Auch mit Kultur, Wein und Kulinarik punkten wir auf hohem Niveau. Mit diesen Angeboten liegen wir ganz im Trend zu Regionalität und Nachhaltigkeit. Entscheidend für die Zukunft ist, dass wir diese Segmente noch besser verschränken und noch stärker internationalisieren. Auch die Qualitätssteigerung im Bereich der kleineren Anbieter ist mir ein großes Anliegen.

Das Burgenland hat im Österreich-Vergleich eine relativ hohe Arbeitslosigkeit. Dennoch sieht man vor allem in Tourismusbetrieben viele ungarische Mitarbeiter. Woran liegt das?

Ich glaube nicht, dass man das so über einen Kamm scheren kann. Ich kenne etliche Tourismusbetriebe, die sehr gezielt auf burgenländisches Personal zurückgreifen und auch großes Engagement bei der Ausbildung heimischer Fachkräfte zeigen – gerade in landesnahen Einrichtungen legen wir auf die Ausbildung von Lehrlingen Wert. Genau da liegt auch die wesentliche Herausforderung: Den Fachkräftemangel zu beschwören und gleichzeitig nichts für die Ausbildung von Fachkräften zu tun, geht nicht. Da sind Politik, Wirtschaft und der Bildungssektor gemeinsam gefordert – wir werden unseren Beitrag leisten. Und letztlich gilt natürlich auch: Motivation führt über Image, Wertschätzung und vor allem faire Entlohnung. Gerade deshalb forcieren wir einen anständigen Mindestlohn und setzen uns für ordentliche Lehrlingsentschädigungen ein. Leistung muss sich lohnen!

Welche Maßnahmen setzt das Land, damit die gut ausgebildeten Burgenländer auch im Burgenland bleiben?

Den Standort weiter aufwerten, Betriebe ansiedeln und möglichst viele gut bezahlte Arbeitsplätze im Land schaffen, aber auch den Zusammenhalt und die Lebensqualität im Land erhalten und steigern.

Warum wäre ein Fußballnationalstadion im Burgenland Ihrer Meinung nach eine gute Idee?

Diese Frage stellt sich aktuell nicht – und wenn überhaupt, kann die Frage nach der grundsätzlichen Berechtigung eines Nationalstadions, egal an welchem Standort, nur partnerschaftlich zwischen ÖFB, Bund, Ländern und Landesverbänden beantwortet werden. Ich weiß aber, warum die Partnerschaft zwischen dem ÖFB-Nationalteam und dem Burgenland-Tourismus eine gute Idee war und ist: Die Teilnahme unserer Mannschaft an der Euro 2020 wird dem Burgenland nämlich großartige Werbeeffekte einbringen!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2019)


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