Interview

„Nur Bildung und hochwertige Jobs sichern unseren Wohlstand“

(C) IV Burgenland
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IV-Burgenland-Präsident Manfred Gerger glaubt, dass eine schwächer werdende Konjunktur nicht den Fachkräftemangel aufhebt. Betriebe suchen nach wie vor Techniker und IT-Kräfte. Dafür müsste das Bildungswesen grundlegend modernisiert werden.

Österreich hat gewählt und uns drohen lange Koalitionsfindungsgespräche. Das Burgenland wird Anfang des Jahres wählen – Ausgang ungewiss. Welcher Kurs wäre für die burgenländische Wirtschaft der beste?

Manfred Gerger: Der Kurs, den die letzte Regierung eingeschlagen hat, muss beibehalten werden. Ein wettbewerbsfähiger Standort und erfolgreiche Unternehmen mit ihren Beschäftigten sind das Fundament für unsere hohe Lebensqualität und den allgemeinen Wohlstand in Österreich. Dafür braucht es eine stabile, zuverlässige und innovative Politik, die mutige Entscheidungen trifft und damit attraktive wie planbare Rahmenbedingungen schafft. Das gilt auch für die Landespolitik. Hier müssten gewisse Vorhaben, welche im derzeitigen Wahlkampf getrommelt werden und standortschädigend sind, rasch revidiert werden.

Was und wo sind die großen Baustellen aus Unternehmenssicht, die die neue Bundesregierung sofort angehen muss?

Die wichtigsten Punkte sind die Reduktion der Steuer- und Abgabenlast und die Entlastung des Faktors Arbeit. Die Implementierung eines modernen Arbeitsrechtes und Rahmenbedingungen für einen fairen internationalen Handel stehen ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste. Der Forschungs- und Technologiestandort Österreich muss durch Bildung und Innovation an die Spitze gebracht und der Kapitalmarkt gestärkt werden. Als großes Thema müssen wir eine innovative Klimapolitik umsetzen.

Die heimischen Wirtschaftswachstumsprognosen für heuer und nächstes Jahr wurden erneut zurückgenommen – mit jetzt 1,6 Prozent und 1,7 Prozent. Wie schaut es im Burgenland aus? Spüren Ihre Betriebe schon die Auswirkungen der abflauenden Konjunktur?

Die aktuelle Konjunkturumfrage der IV Burgenland zeigt ganz deutlich eine abflauende Auftragslage, vor allem beim Export und bei den Verkaufspreisen. Besonders die Automotivzulieferindustrie ist davon betroffen. Der Ausblick in drei Monaten lässt wenig Positives erwarten.

Die burgenländische Industrie ist international ausgerichtet. Wie schwer wirken sich schon jetzt das schwächelnde Deutschland, der Brexit und die internationalen Handelsschranken aus?

Die derzeitige konjunkturelle Lage in Deutschland, besonders bei der Automotivindustrie, das Brexit-Chaos und internationale Handelshemmnisse sind bereits massiv im Burgenland angekommen. Ein ungeregelter Brexit wäre ein Worst-Case-Szenario, das auf beiden Seiten Schaden für Menschen und Unternehmen anrichten würde. Ohne Abkommen wären nicht nur alle Selbstverständlichkeiten, die der Europäische Binnenmarkt mit sich bringt, mit einem Schlag verloren, das Vereinigte Königreich stünde der EU auf einmal ferner als die meisten anderen Drittstaaten. Und wir brauchen dringend eine sachliche Diskussion über den internationalen Handel. Mit Freihandels-Mythen und populistischer Panikmache retten wir weder das Klima noch den Regenwald. Und schon gar nicht sichern wir damit Arbeitsplätze.

Jeder sucht händeringend Fachkräfte: Wird sich die Situation durch die schwächelnde Konjunktur etwas entspannen oder weiter verschärfen? Welche Beschäftigungsanreize und Qualifizierungsmaßnahmen braucht es?

Eine schwächer werdende Konjunktur hebt mit Sicherheit nicht den Fachkräftemangel auf. Gute Mitarbeiter werden weiter von den Unternehmen gesucht und auch gehalten. Besonders im technischen und IT- Bereich und in der Produktion werden händeringend qualifizierte Mitarbeiter gesucht. Was es braucht, um hier entgegenzuwirken, ist eine umfassende Berufsorientierung bereits ab dem Grundschulalter und ein modernes Bildungswesen. Förderungen bedeuten immer Reparaturmaßnahmen, die teuer kommen. Aus- und Weiterbildung und hochwertige Arbeitsplätze sichern unseren Wohlstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2019)


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