Interview

„Bei 1700 Euro Mindestlohn würden wir nichts mehr verkaufen“

(c) WK Burgenland
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Wirtschaftskammer Burgenland-Präsident Peter Nemeth betont, ein verordneter Mindestlohn von 1700 Euro netto würde das komplette Wirtschaftssystem im Burgenland ins Wanken bringen und die heimischen Betriebe mit 900 Millionen Euro belasten.

Nach der Nationalratswahl sucht die ÖVP einen Koalitionspartner. Und auch fürs Burgenland wird es im Jänner spannend durch die Landtagswahl. Gibt es Wunsch-Koalitionen für die WK, wo für die burgenländischen Betriebe am meisten weitergehen könnte?

Peter Nemeth: WK-Präsident: Hier denke ich eher pragmatisch: Jene Partei, die gemeinsam die Probleme der heimischen Wirtschaft löst und Ideen umsetzt, die Unternehmen helfen, ist mir willkommen.

Was sind die größten Probleme und Wachstumshemmnisse für die burgenländische Wirtschaft, die schnell gelöst werden sollten?

Nach einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftskammer erwarten sich die heimischen Unternehmen Unterstützung durch die neue Regierung beim Abbau von Bürokratie: 97 Prozent nennen dies als sehr wichtig oder wichtig. Auch die Senkung der Lohnnebenkosten steht ganz oben: 88 Prozent wünschen sich endlich Verbesserungen und die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist für 91 Prozent wichtig. Und dann bleibt noch die generelle Senkung der Steuerlast, sie steht auf Platz vier der Forderungen der Unternehmer.

Die Wirtschaft schwächt sich ein wenig ab. Die Wirtschaftswachstumsprognosen sanken für heuer auf 1,6 Prozent. Und für nächstes Jahr sind 1,7 Prozent prognostiziert. Wie sehen die Wachstumsprognosen fürs Burgenland aus?

Noch ist die Stimmung positiv. Wir merken das auch bei unserer Besuchsoffensive. Aber natürlich, als sehr exportorientierte Wirtschaft sind wir sehr feinfühlig, was Konjunkturschwankungen betrifft.

Das Burgenland ist eingezwickt zwischen starken Wirtschaftsregionen: Innerstaatlich Wien, Niederösterreich und der Steiermark sowie den osteuropäischen Nachbarn. Wie kann sich das Burgenland dabei weiter eigenständig positionieren und entwickeln?

Durch die Wahlen wird uns das im Moment ja nicht gerade leicht gemacht. Ein Mindestlohn von 1700 Euro netto soll in den nächsten Monaten im öffentlichen Bereich im Burgenland umgesetzt werden. Das bringt natürlich das komplette Wirtschaftssystem im Burgenland ins Wanken. Ein Mindestlohn in Höhe von 1700 Euro würde die heimischen Betriebe mit Mehrkosten von mindestens 900 Millionen Euro belasten. Allein im Burgenland erwirtschaften wir in etwa vier von zehn Euro durch Exporte, nicht in die Steiermark, sondern wirklich ins Ausland. Kommen nun diese 1700 Euro netto, so hätten wir einen Wettbewerbsnachteil, aber nicht nur in die klassischen Exportländer. Burgenländische Betriebe würden nichts mehr nach Niederösterreich, ein paar Kilometer weiter in die Steiermark, nach Wien, einfach nirgendwohin verkaufen.

Der Arbeitsmarkt ist für Unternehmen ein Reizthema. Wo bekommen Ihre Betriebe die benötigten Lehrlinge und Mitarbeiter her? Und in welchen Branchen gibt es im Burgenland bereits Probleme? Und wie begegnen Sie als WK dem Problem?

Schon jetzt ist es eine der brennendsten Themen, Jugendliche für den Lehrberuf zu begeistern und in weiterer Folge auch als Facharbeiter in den Betrieben – nicht zuletzt auf Grund der Angebote aus dem öffentlichen Bereich – zu halten. Ein Schritt – und auch die Bitte an die Politik ist, das zu intensivieren: durch bessere Aufklärung in den Schulen die Lehre attraktiver zu machen. Es muss wieder in die Köpfe der Menschen, dass die Lehre kein Abstellgleis ist, sondern eine große Chance für die Zukunft. Ganz aktuell gibt es im Burgenland äußerst erfolgreiche Lehrlingscastings. Dabei werden lehrlingssuchende Unternehmer direkt mit arbeitsplatzsuchenden Jugendlichen ähnlich einer Dating Show zusammengebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2019)


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