Jüdisches Museum

Der Hase unseres Gewissens

Symbolfigur für das Überdauern und das Geschichtenerzählen: der „Hase mit den Bernsteinaugen“ aus der Netsuke-Sammlung der Ephrussis.
Symbolfigur für das Überdauern und das Geschichtenerzählen: der „Hase mit den Bernsteinaugen“ aus der Netsuke-Sammlung der Ephrussis.(c) JMW
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Die Ausstellung „Die Ephrussis“ ist sichtbarer Höhepunkt einer jahrelangen Annäherung der von den Nazis vertriebenen Familie an Wien. Sehr bewegend.

Es ist schwer, diese Geschichte zu erzählen, ohne in der dicken Schicht nostalgischen Wiener Schlagobers zu versinken, die Edmund de Waal so gern vermeiden würde – wie er bei der Pressekonferenz zur Ausstellung über seine Familie im Jüdischen Museum am Dienstag betonte. Zu spät, denkt man bei sich. An der verlockend rührseligen Lesart des Schicksals der von den Nazis aus Wien vertriebenen jüdischen Bankiersfamilie, deren Nachkommen sich jetzt wieder mit der Stadt versöhnen, ist er allerdings nicht ganz unbeteiligt. Vor gut zehn Jahren goss er, der empathische Keramikkünstler, seine genealogischen Recherchen in einen der bewegendsten zeithistorischen Romane überhaupt, den Bestseller „Der Hase mit den Bernsteinaugen“.

Mit dem Ruhm begann das Werben – um ihn, um die durch das Buch plötzlich berühmte Sammlung von Netsuke (aus Holz oder Elfenbein geschnitzte japanische Figürchen), die zu einem Symbol des Überdauerns wurde. Das Wiener Jüdische Museum unter Direktorin Danielle Spera warb sichtlich am überzeugendsten: Vor zwei Jahren schenkte die heute in aller Welt verstreute Familie dem Haus ihr Archiv und verlieh ihm auf zehn Jahre die verbliebenen Netsuke. Sichtbarer Höhepunkt dieser Annäherung der Ephrussi-Nachkommen ist die Ausstellung, die gestern eröffnete. Begleitet vom ersten Treffen seit 1938 von 42 Familienmitgliedern im ehemaligen Palais Ephrussi (Universitätsring 14) am Vorabend. Heute Bürogebäude, wurde es im April 1938 als erstes Ringstraßenpalais überhaupt arisiert. Die Vertreibung der nach den Rothschilds zweitwichtigsten jüdischen Bankiers war für die Nazis ein zelebrierter Akt.

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