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„Österreichisches Deutsch ist in der Schule kaum Thema“

Forscher orten widersprüchliche Einstellung zur eigenen Sprache.

Wien. Grundsätzlich würden die Österreicher kein falsches Deutsch sprechen – aber die Grammatik sei vielleicht nicht ganz korrekt: So lautet die Aussage einer Schülerin, die zeigt, welche Schwierigkeiten es mit dem österreichischen Deutsch in der Schule gibt: Es wird von Schülern und auch Lehrern oft nicht als völlig gleichwertig mit Bundesdeutsch eingeschätzt. „Eine widersprüchliche Einstellung zur eigenen Sprache“, nennt das Rudolf de Cillia, der mit Jutta Ransmayr jahrelang das österreichische Deutsch in der Schule untersucht hat.

„Ein wesentliches Ergebnis ist, dass das österreichische Deutsch in der Schule kaum Thema ist“, sagt der Sprachwissenschaftler, der seine Forschungsergebnisse – über deren Zwischenschritte „Die Presse“ bereits mehrfach berichtet hat – nun in einem Buch zusammengefasst hat. „Weder in den Lehrplänen noch in der Lehrerausbildung noch in den Schulbüchern werden die Unterschiede zwischen den sprachlichen Varietäten ernsthaft thematisiert.“

Warum das ein Problem ist? „In der Literatur ist festgestellt worden, es gebe so etwas wie einen österreichischen Minderwertigkeitskomplex, was die eigene Sprache betrifft“, sagt de Cillia. Und auch in seinen Forschungen habe er das zumindest im Kleinen festgestellt. „Wenn man im Unterricht thematisiert, dass es gleichwertige Varietäten des Deutschen gibt, dann besteht diese Gefahr nicht.“ Den Schülern werde dann bewusst, dass beides richtig sei. „Sehr häufig gibt es die Einstellung, es gebe nur eine richtige Form der Sprache – das entspricht aber nicht der Realität.“

Dafür müsse man aber auch die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Sinn ausbilden. Etwa, wenn es darum geht, wie sie die Texte von Schülern korrigieren. Ein Beispielaufsatz mit spezifisch österreichischen und spezifisch bundesdeutschen Ausdrücken sei etwa sehr unterschiedlich korrigiert worden. „Da gibt es sehr große Unsicherheiten“, sagt de Cillia. „Das muss in der Lehrerausbildung ein wichtiges Thema sein, damit sie damit bewusst umgehen können.“

Die Cola, die E-Mail, der Junge

Bei den Jugendlichen setzen sich indessen bundesdeutsche Ausdrücke – wie „die Cola“, „die E-Mail“ oder „Junge“ statt „Bub“ – immer stärker durch, wie die Forscher ebenfalls herausgefunden haben („Die Presse“ berichtete): „Wir sagen jetzt aber nicht, dass man das den Schülern korrigieren muss“, sagt de Cillia. „Die Sprache entwickelt sich.“ Wichtig sei aber eben, ein Bewusstsein für die verschiedenen Varietäten zu vermitteln.

Zum Buch:

Rudolf de Cillia, Jutta Ransmayr:
„Österreichisches Deutsch macht Schule“
Böhlau, 2019
36 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2019)

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