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Zeitpolitik

Zeitumstellungen funktionieren offensichtlich nach eigenen Gesetzen: In Nepal etwa kennt man sogar eine Viertelstundenverschiebung.
Zeitumstellungen funktionieren offensichtlich nach eigenen Gesetzen: In Nepal etwa kennt man sogar eine Viertelstundenverschiebung.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Früher hieß die Sommerzeit „Kriegszeit". Stellungnahme mit Ausblick auf Veränderungen.

Ich habe die meisten der 24 Zeitzonen für Sie getestet, die 1884 auf einer „Internationalen Meridiankonferenz" in Washington D.C. eingeführt wurden. Liebe Leserinnen und Leser, sie fühlen sich gut an. Die Idee mit der Sommerzeit stammt sogar aus dem 18. Jahrhundert. Doch erst im Ersten Weltkrieg wurde – aus Energiespargründen – die Uhr erstmals eine Stunde vorgestellt. Die 1916 von Preußen und Österreich-Ungarn erfundene „Kriegszeit" hielt sich bis 1920. Nur folgerichtig, dass die Nationalsozialisten sie 1940 wieder einführten. Diese zweite österreichische Sommerzeit lief bis 1948.

Danach brauchte es die Ölkrise, damit einige europäische Staaten (ab 1977) und Österreich (1979) die Sommerzeit reaktivierten. Seitdem genießen wir eine Sommerabendverlängerung. Jenseits aller absurden Kontraargumente (Minijetlag, Kühe geben ein bisschen weniger Milch etc.) ist eine Bonusstunde Licht einfach sympathisch und vorteilhaft. Dass es dafür in der Früh länger dunkel bleibt, braucht keinen zu stören, denn Grillfeste, Sonnenuntergänge und wilde Gelage finden nicht frühmorgens statt. Unser Standortvorteil besteht ja gerade darin, dass es nicht – wie in Äquatornähe – um sechs Uhr abends schlagartig dunkel wird. Der helle Abend ist ein Alleinstellungsmerkmal gemäßigter Breiten. Die Diskussion über die Abschaffung der Sommerzeit wäre ein riskantes Unterfangen, denn am Ende könnten wir mit der faden Normalzeit dastehen.

China zeigt vor, wie autoritäre Zeitpolitik geht: Eigentlich erstreckt es sich über fünf Zeitzonen, doch Peking zwingt das gesamte Land in die Peking-Zeit. Dadurch genießen die westlichen, sonst oft benachteiligten Uiguren helle, lange Abende. Indien hingegen ist eigensinniger, hat halbstündige Zeitverschiebungen eingeführt, noch komplizierter
wird es auf Teeplantagen in Assam, wo aus Produktivitätsgründen eine zusätzliche plantageninterne Sommerzeit herrscht, die „tea garden time". Nepal mag es übrigens noch verrückter, die praktizieren eine Viertelstundenverschiebung. Schlägt es in Wien Mitternacht, ist es in Kathmandu 4.45 Uhr morgens.

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