Entflammt

Warm ums Herz: Schöner heizen

Zündend. Der französische Hersteller Focus fokussiert auf spektakuläres Design.
Zündend. Der französische Hersteller Focus fokussiert auf spektakuläres Design.(c) Beigestellt
  • Drucken

Eine Heizung kann auch visuell Herzen erwärmen: Das zeigen ein Museum in Wien und ausgesuchte Ofenentwürfe.

Manche Dinge nimmt man erst wahr, wenn sie einem abgehen. Oder gar nicht erst geliefert werden. Wie der Brief, den man erwartet. Oder die Wärme, die bitteschön der Heizkörper spenden soll, wie er es sonst immer macht. Einfach nur Infrastruktur zu sein, der Grundversorger des Alltagslebens, ist oft nicht die dankbarste Rolle, die die Objekte rund um uns einnehmen. Auch die Heizung versteckt sich gern im Keller. Aufmerksamkeit der Designer bekommt sie auch nicht allzu oft. Der Gestaltungsanspruch ist ähnlich wie bei Mondlandefähren: Sie soll tunlichst funktionieren. Das Darumkümmern hat man längst ausgelagert. An Heizungstechniker. Oder auch an die Stadt Wien. Die schenkt der Wärme und wie man sie fabriziert sogar eine Extraportion inhaltliche Zuwendung – in Form eines Museums. Dieses durchstreift so einige Etappen. Etwa auch jene Phasen, als die Heizkessel noch etwas Subtileres leisten mussten als Wärmeerzeugung: visuelle Aufgaben. In Zeiten, als selbst Mistkübel, Laternenmasten und Kanaldeckel Schnörkel trugen. „Auch weil sie damals noch als Möbelstück betrachtet wurden", erklärt Reinhard Indrak. Eines seiner Lieblingsstücke im „Brennpunkt° – Museum der Heizkultur", das er leitet, ist jener Heizkessel, der so aussieht, als hätte ihn ein Wiener Fußballverein adoptiert. „Rapid" heißt er, grün ist er – aber beides rein zufällig – und stand, bevor er im Museum landete, im Keller eines Pavillons auf dem Gelände des Otto-Wagner-Spitals. Das ganze Gebäude beheizte er dort, nachdem er im Jahr 1909 in Betrieb gegangen war.

Schmuck. Auch antike Kohleöfen reihen sich im „Brennpunkt“ in Wien aneinander.
Schmuck. Auch antike Kohleöfen reihen sich im „Brennpunkt“ in Wien aneinander.(c) Stadt Wien – Bau- und Gebäudemanagement

Aber nicht nur beim Namen „Rapid" erweitert sich das Thema „Heizen" von einer technischen zu einer Herzensangelegenheit. Auch für kulturelle und soziale Zusammenhänge dürfen sich hier Besucher erwärmen, sagt Indrak. Das Museum führt in die Waschküchen der Gemeindebauten genauso wie in die Tröpferlbäder der Stadt. Duschen erster Klasse hieß damals: in einer separaten Kabine. Mit warmem Wasser zwar, das trotzdem manchmal eher tröpfelte als floss. Was den Namen „Tröpferlbad" erklärt, wie Indrak erzählt. 1984 wurde das Museum eingerichtet, das als Schaudepot begonnen hatte, 2009 wurde es völlig neu gestaltet und kuratiert, angegliedert ist es der Magistratsabteilung  34 für Bau- und Gebäudemangement.

Minimal. „Clou Xtra“, ein Ofen von Aus­troflamm: Das Runde auf dem Ovalen.
Minimal. „Clou Xtra“, ein Ofen von Aus­troflamm: Das Runde auf dem Ovalen.(c) Beigestellt

Energiewenden. Jeder Raum, der sich erwärmen sollte, hatte früher seinen eigenen Ofen. Einzelöfen, die meist Kohle schluckten, oder in schlechten Zeiten alles, was entbehrlich war. In den unterschiedlichsten Ausführungen und Designs reihen sie sich im Museum aneinander. Schließlich bekamen manche Häuser einen zentralen Heizkessel – im Keller. Und manche Wiener bezogen ihre Behaglichkeit sogar von einem noch zentraleren Ofen: einer der Müllverbrennungsanlagen, die die Wärme, die sie erzeugen über ein Rohrnetz in die Häuser schicken – Fernwärme heißt das Prinzip und das System. Zwischen damals und heute liegt sogar fast unbemerkt noch so etwas wie eine „Energiewende", wie Indrak erzählt. Schließlich wollte Wien in den 1970er-Jahren schon „Umweltmusterstadt" werden und schaltete von Kohle auf andere Ressourcen um. Im Meidlinger Souterrain des Museums taucht man auch in Zeiten, als gasbetriebene Kaffeemaschinen noch „Mustapha" hießen. Oder auch, als Heizkörper gleichzeitig als Wärmeschränke fungierten: Wie etwa in den 1950er-Jahren, als man dort gern sein „Menagereindl" deponierte, das Mittag­essen für den Arbeitstag – hier kreuzen sich Heiz- und Sprachgeschichte Wiens.

Prunkvoll. Aus dem Jahr 1909: Das Modell „Rapid“ heizte einem Otto-Wagner-­Pavillon einst ein.
Prunkvoll. Aus dem Jahr 1909: Das Modell „Rapid“ heizte einem Otto-Wagner-­Pavillon einst ein.(c) Stadt Wien – Bau- und Gebäudemanagement



Heizkultur war auch stets eine Frage der Gestaltungskultur. Was genau passiert, wenn es warm wird – physikalisch und chemisch –, das interessiert heute noch immer weniger als das „Erlebnis" der Wärme: Feuer knistern zu hören. Flammen züngeln zu sehen. Die Lust am Archaischen ist in den Wohnungen längst wieder erwacht, solange man dafür nicht ganz archaisch Kohlen aus dem Keller holen muss. Oder in die Waschküche gehen muss zum Waschen.

Manche Heizkörper sehen heute sogar ansatzweise so aus, als hätte sie beim Entstehungsprozess einmal nicht nur ein Techniker betrachtet, sondern auch ein Gestalter. Auch wenn es dann doch nur darum geht, die Objekte in der Wohnum­gebung visuell möglichst aufzulösen: So wie es der italienische Hersteller Tubes gemeinsam mit dem Industriedesigner Alberto Meda versucht hat mit „Step by Step": Modulen aus elliptischen Heiz­rippen.

Schlicht. Ein Heizkörper, der sich gern exponiert: „Step-by-Step“ von Tubes.
Schlicht. Ein Heizkörper, der sich gern exponiert: „Step-by-Step“ von Tubes.(c) Max Zambelli

Entflammt. Gerade im Feld der Kamin- und Pelletsöfen fordern die Menschen mehr Leistung ein, als jene, die sich ablesen lässt am Raumthermometer oder an der Energierechnung. Deshalb treten inzwischen auch renommierte Namen der Design-szene in für sie völlig neue Felder: Die spanische Designerin Patricia Urquiola etwa, die für den Hersteller MCZ einen Pelletsofen kreiert hat: „Wall" will allerdings wiederum Dinge verstecken, etwa die technischen Anschlussmöglichkeiten sowie die Rohre. Und sich noch dazu selbst ein wenig. Denn die Integration in die Architektur war hier selbst gestellte Entwurfsaufgabe. Die frei hängenden Kamine des französischen Herstellers Focus dagegen koppeln sich dafür gern extra-skulptural vom Kontext ab: Auch wenn sie wie schmale Zylinder von der Decke in den Raum ragen. Oder wie organische Blasen dem Feuer und seinen Effekten spektakulär Raum geben.

Tipp

„Brennpunkt° – Museum der Heizkultur Wien". Geöffnet von Oktober bis Mai. Montag bis Mittwoch, 9–12 und 13–16 Uhr. Sowie Sonntag, 10–16 Uhr, Malfattigasse 4, 1120 Wien.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.