Umweltkatastrophe

Brasilien kämpft gegen mysteriöse Ölpest

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2250 Kilometer Küste sind in Nordbrasilien bereits verseucht. Weiterhin strömen Erdölmassen an Hunderte Urlauberstrände. Die Regierung macht eine griechische Reederei verantwortlich. Doch die weist die Vorwürfe zurück.

Wieder einmal war es ein Bild, dass das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit - und der Politik - auf eine Katastrophe lenkte, die schon seit geraumer Zeit ihren Lauf nahm: Ein Bub steigt ölverschmiert, mit geschlossenen Augen und verzweifeltem Gesichtsausdruck aus dem Meer. Er ist in einen Plastiksack gekleidet, denn seine normale Kleidung ist unbrauchbar geworden. Gemeinsam mit 500 Freiwilligen hatte sich der 13-jährige Everton Miguel dos Anjos an einer Aktion beteiligt, um den Strand von Itapuma in der nordostbrasilianischen Stadt Cabo de Santo Agostinho von Massen an Ölklumpen und Ölschlick zu befreien.

Das war Ende Oktober. Bis dahin hatte die Regierung unter Staatschef Jair Bolsonaro kaum etwas gegen die schwere Ölpest an der brasilianischen Nordostküste unternommen, die seit Ende August rund 2250 Kilometer Strand verpestet hat. Das entspricht in etwa der Länge der Mittelmeerküste Spaniens und Frankreichs. Stattdessen hatten sich die Einwohner der rund 300 betroffenen Orte selbst daran gemacht, die Küste von der schwarzen Seuche zu befreien.

Erst vor wenigen Wochen stellte die Regierung Soldaten ab, um die Umweltkrise in dem Urlaubergebiet einzudämmen. 4000 Tonnen Erdöl seien bereits eingesammelt worden, sagten die Behörden am Sonntag. Doch die mit Sand vermischten Ölklumpen an den paradiesischen Stränden sind nur die Spitze des Eisbergs. „Das Schlimmste steht noch bevor“, sagte Präsident Bolsonaro am Sonntag in einem Fernsehinterview. „Was bisher angespült und gesammelt wurde, ist nur ein kleiner Anteil dessen, was ausgetreten ist.“

APA/AFP/MATEUS MORBECK

Schwer auf Satellitenbildern zu beobachten

Denn Rohöl schwimmt nicht an der Oberfläche. Dadurch sind die Ölströme schwer auf Satellitenaufnahmen zu beobachten und es ist nicht abzuschätzen, wie viel Öl noch an der brasilianischen Küste angeschwemmt werden wird. Noch wollen die Behörden daher keine Schätzungen über das ökologische und wirtschaftliche Ausmaß der Katastrophe abgeben. Hinzu kommt: Selbst nach mehr als zwei Monaten ist die Ursache für die Ölpest unklar.

Zwar haben die staatliche Ölfirma Petroleo Brasileiro und die brasilianischen Behörden keine Zweifel daran, dass es sich um in Venezuela gefördertes Erdöl handelt. Doch die Ermittlungen, wie der Rohstoff in den Atlantik strömen konnte, laufen. Nach Untersuchungen gegen rund 1100 Schiffe nannte das brasilianische Verteidigungsministerium am Freitag die Betreiberfirma eines griechischen Tankers als „Hauptverdächtigen“.

Das Schiff „Bouboulina“ der Reederei Delta Tankers habe das Erdöl Ende Juli rund 700 Kilometer vor der brasilianischen Küste verloren. Die Firma mit Sitz in Athen erklärte, für die Vorwürfe Brasiliens gebe es keine Beweise. Der Tanker sei während der Fahrt von Venezuela nach Malaysia „ohne Probleme“ an seinem Bestimmungsort angekommen und habe seine Fracht „ohne Verluste“ entladen. Brasiliens Bundespolizei bat daraufhin die Internationale Polizeiagentur Interpol um Hilfe in den Ermittlungen gegen das Unternehmen.

REUTERS

Größtes Korallenriff Brasiliens bedroht

Ungeachtet der Urheber für die Umweltkrise - schon jetzt werden die katastrophalen Folgen der Ölpest für das Ökosystem ersichtlich: Die schwarze Masse vergiftet Fische, Meeresvögel und Schildkröten, verklebt Korallen und Mangrovenwälder. Auch Zivilpersonen, die bei den Reinigungsarbeiten halfen, erkrankten.

Es könnte jahrelang dauern, bis sich die Natur von den Folgen einer der schwersten Umweltkrisen des Landes erholt, warnen Biologen. Besonders alarmiert ist Brasilien, dass auch der Abrolhos Nationalpark bald im Öl ersticken könnte. Das Archipel nordöstlich von Rio de Janeiro beherbergt Brasiliens größte Korallenriffe und ist ein Brutort für Buckelwale.

(me)

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