Studie: Junge gläubige Muslime sind eher gewaltbereit

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Muslime bekennen sich häufiger zu Gewalttaten als andere jugendliche Migranten, ergab eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts. Am besten integriert sind Immigranten ohne Konfession.

Burschen aus muslimischen Zuwandererfamilien sind – nach eigenen Angaben – gewalttätiger als ihre Altersgenossen, sie bekennen sich deutlich häufiger zu Delikten wie Körperverletzung und Raub. Und je stärker sie sind – je mehr sie beten, je mehr sie die Moschee besuchen, je wichtiger sie ihren Glauben nehmen –, umso größer ist ihre Gewaltbereitschaft. Bei christlichen Jugendlichen (die meist aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion stammen) ist die Korrelation umgekehrt: religiösere begehen seltener Gewalttaten.

Das ergab eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen: 45.000 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren aus 61 deutschen Städten und Landkreisen wurden über ihre Einstellung zur Gewalt und ihre Erfahrungen damit befragt.

Am besten in Deutschland integriert sind Immigranten ohne Konfession: Sie fühlen sich zu 66,1 Prozent als Deutsche. Für alle Konfessionen besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Religiosität und Integration – wohl weil Religiosität den Rückzug in die eigene Ethnie fördere, meinen die Studienautoren. Allerdings ist diese Korrelation bei muslimischen Jugendlichen weitaus größer: So haben 21,7 Prozent der sehr religiösen türkischen Migranten deutsche Freunde, nur 14,5 Prozent fühlen sich als Deutsche; von den nichtreligiösen türkischen Jugendlichen sind 43,4 Prozent mit deutschen Jugendlichen befreundet, 51,3 Prozent fühlen sich als Deutsche.

Es gibt auch sozial erfreuliche Korrelationen des islamischen Glaubens: So trinken muslimische Jugendliche weniger und begehen weniger Ladendiebstähle als andere Jugendliche; dieser Zusammenhang ist bei Christen schwächer ausgeprägt.

Imame fördern Macho-Ideale

Der Zusammenhang zwischen Neigung zur Gewalt und islamischem Bekenntnis gilt nur für männliche Jugendliche. Um das weiter zu erklären, untersuchten die Forscher auch das Männlichkeitsbild der Jugendlichen, fragten z.B., ob es gerechtfertigt sei, dass ein Mann seine Frau schlägt, wenn sie ihn betrügt. Solchen „Macho-Aussagen“ stimmten muslimische Zuwanderer mehr als doppelt so häufig zu wie christliche. Sie konsumieren auch mehr Spiele mit gewalttätigen Inhalten und haben mehr Straffällige in ihrem Freundeskreis.

Studienleiter Christian Pfeiffer gilt nicht als Gegner des Islam, er kritisierte etwa einschlägige Aussagen des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch scharf. In seiner Interpretation stützt er sich auf eine Untersuchung des türkischstämmigen Religionswissenschaftlers Rauf Ceylan über türkische Imame („Vorbeter“, Religionsbeauftragte): Diese sind meist nur für kurze Zeit in Deutschland eingesetzt, sie werden auch ausschließlich in der Türkei ausgebildet. So haben sie kaum eine (positive) Beziehung zur deutschen Kultur, meint Ceylan: Auch gehöre die Dominanz der Männer in Familie und Gesellschaft zu den selbstverständlichen Lehrinhalten des islamischen Religionsunterrichts. Das fördere „Akzeptanz gewaltlegitimierender Männlichkeitsnormen“ und die Vorliebe für Medien mit gewalttätigen Inhalten. Pfeiffers Resümee: „Wir müssen verhindern, dass Integrationsbemühungen durch Imame zunichtegemacht werden, die türkische Heimatkunde und ein reaktionäres Männerbild predigen.“ In Österreich sollte die Lage besser sein (oder werden): Seit 1998 werden Imame in einem dreijährigen Diplomlehrgang an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien ausgebildet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2010)

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