Der Volkstribun hinter Festungsmauern

Absperrgitter, Leibesvisitationen, Spürhunde: Der Wahlkampf des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders muss unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Ein Lokalaugenschein.

Das Bowling-Zentrum Ockenburgh in Den Haag gleicht einer Festung. Vom Parkplatz aus müssen die letzten 500 Meter bis zum Gebäude zu Fuß zurückgelegt werden. Überall stehen Polizeibeamte. Ist man am Eingang angelangt, beginnt der Sicherheitscheck. Ein Beamter verlangt den Reisepass. Dann wird die Anmeldeliste gecheckt. Steht man drauf, ist die erste Sicherheitshürde genommen. Sogleich folgt die zweite. Alle harten Gegenstände, Kugelschreiber, Handy oder Laptop, müssen abgegeben werden; sie werden erst nach geglücktem Eintritt ausgehändigt. Es folgt die Leibesvisitation. Eine Viertelstunde dauert die Prozedur, dann ist man drin, im Bowling Zentrum Ockenburgh.

Nun beginnt das große Warten auf ihn, für den der Sicherheitszirkus veranstaltet wird: Geert Wilders. Der 47-jährige Rechtspopulist ist der am meisten bedrohte Politiker der Niederlande. Seine Islam-Kritik ist hart und gnadenlos. Seine Parolen polarisieren, wie etwa die vom Einwanderungsstopp für Muslime oder die von der Ausweisung von „Straßenterroristen“, womit er vor allem die Banden der meist marokkanisch-stämmigen Jugendlichen meint. „Das Gesindel schicken wir weg, wir holen sie von der Straße, aus dem Stadtviertel und weisen sie aus.“ Dies ist einer der Kernsätze von Geert Wilders. Aber noch ist er nicht zu hören. Noch steigt die Spannung, bis der Politheld, den in den Niederlanden so viele bewundern, kommt. Nach geschlagenen zwei Stunden Wartezeit.

Im überfüllten Saal, der zuvor von Spürhunden und Sicherheitspersonal akribisch durchsucht wurde, warten einige hundert Wilders-Fans. Arbeiter und Akademiker. Männer und Frauen. Junge und Alte. Allerdings sind auffallend viele Jugendliche da; offenbar auch solche mit jüdischem Hintergrund. Ein etwa 30-Jähriger trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Jewish Task Force“. Ein älterer Herr, Anfang 60, stolziert mit einer anderen Botschaft auf dem T-Shirt durch den Raum: „Ik stem Wilders“ – „Ich wähle Wilders“.

Schließlich erklingt „The Final Countdown“. Zu den Klängen der schwedischen Rockband Europe schreitet Geert Wilders in den Saal. Die meisten Anwesenden erheben sich. Beifall brandet auf. Wilders steht hinterm Rednerpult. „Den Haag ist meine Stadt, die schönste Stadt – nach Venlo“, sagt der in Venlo geborene Politiker zur Einstimmung für die Haager Lokalpatrioten.

„Multikulti-Schmuser“

Nun bekommen sie alle ihr Fett ab, die „Multikulti-Schmuser“ von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei PvdA zuerst. Denn die „PvdA und ihr Spitzenkandidat Job Cohen wollen Enklaven für den Islam hier errichten, ein Ministerium für Subventionen einführen und dem marokkanischen König dienen.“ Tosender Applaus. Dann rechnet Wilders mit den „arroganten Christdemokraten“ der CDA ab, „die so viel Geld nach Athen überweisen“. Weiter geht es zur Wirtschafts- und Eurokrise: „Ein starker Gulden ist mir lieber als ein schwacher Euro.“ Dänen, Schweden und Norweger würden beweisen, dass auch kleine Länder eine eigene starke Währung haben könnten, so Wilders.

Wilders Rezept, den in Schieflage geratenen holländischen Haushalt wieder ins Lot zu bringen, lautet so: „Wir sparen bei der Entwicklungshilfe. Wir sparen bei den Subventionen. Wir sparen im öffentlichen Dienst. Wir stoppen die Masseneinwanderung.“

Schließlich warnt der Politiker mit dem blondierten Schopf davor, die rechtsliberale Partei für Freiheit und Demokratie (VVD) zu wählen, der er früher selbst angehört hatte, bevor er 2006 seine eigene Partei für die Freiheit (PVV) gründete. Denn die rechtsliberale VVD schließt nicht aus, dass sie nach den Wahlen eine Koalition mit den Sozialdemokraten eingehen könnte. Dann folgt die Kernaussage von Wilders Rede: „Wir wollen in Den Haag regieren. Wir wollen wieder Hoffnung und Optimismus verbreiten. Die linke Elite in der Regierung muss endlich abgelöst werden.“ Begeisterungsstürme im Saal.

Am Schluss wollen viele Fans mit „ihrem Geert“, wie sie sagen, ein gemeinsames Foto – immer im Beisein von mindestens vier Bodyguards, die Wilders ständig umringen und Mühe haben, aus dem Bild zu bleiben. Sogar Geschenke bekommt der PVV-Chef von seinen Anhängern überreicht. Ein Buch über den Islam beispielsweise. „Ich hab es zwar gelesen, kann aber nicht so viel damit tun“, sagt ein Mann zu Wilders. „Du kannst es zu einer Waffe machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2010)

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