Führungsfehler

Über die eigenartige Imbalance von Lob und Kritik

Ein Phänomen aus allen Berufsgruppen: Lob geht an den zu Lobenden. Kritik geht an dessen Chef. Oder an den Chef vom Chef.

Nehmen wir einen beliebigen Kellner in einem Restaurant: Ist der Gast zufrieden (über das Trinkgeld hinaus), sagt er dem Kellner freundliche Danke. Ist er unzufrieden, verlangt er mit dramatischer Geste nach dem Geschäftsführer. Dann wettert er los. Je mehr Gäste mithören, desto satisfizierter fühlt er sich. Gerne plustert er den Anlass auch auf, damit die Beschwerde auch wirklich sitzt. Der Kellner darf sich ja nicht wehren.

Ein anderes Beispiel: Ist ein Klient in der Wirtschaftsprüfung mit dem Teamleiter zufrieden, der ihn prüfte, drückt er ihm warm die Hand (früher ging man essen). Passt ihm aber etwas nicht, geht er ganz nach oben, zum Kanzleipartner. Um dem Teamleiter maximal zu schaden. Um ihm bei der Kritik nicht in die Augen schauen zu müssen. Um seine Begründung nicht zu hören. Um einen Preisnachlass herauszuschinden.

Suchen Sie sich eine beliebige Berufsgruppe aus, vom Anwalt bis zum Zustelldienst. Überall dasselbe: Lob unter vier Augen an den zu Lobenden, Tadel so hoch wie möglich nach oben.

Fair ist das nicht. Weil der Chef dann zwangsläufig nur Negatives über seine Mitarbeiter hört. Und es irgendwann glaubt. Weil er die vielen Danke davor nicht mitbekommt.  

Was die Lösung ist? Aus Mitarbeitersicht, die Danke wo es möglich ist schriftlich erbitten und regelmäßig dem Chef weiterleiten. Dann wiegt eine gelegentliche Kritik nicht so schwer.

Aus der Sicht des Tadelnden vielleicht die eigenen Rachegelüste hinterfragen. Weil sie kein schönes Licht auf einen selbst werfen.

Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Fehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com

Ähnlichkeiten mit realen Personen und Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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