30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ziehen osteuropäische Ökonomen Bilanz über die Entwicklung ihrer Heimatländer. Sie fällt gut aus. Doch gerade in den turbulenten ersten Jahren haben sich viele Hoffnungen nicht erfüllt.
Wien. „Als die Berliner Mauer fiel, war ich elf Jahre alt“, erzählt Olga Pindyuk. „Zu jung, um wirklich zu verstehen, was passiert.“ Und anfangs veränderte sich ihr Leben am Westrand der Ukraine ja auch nicht sonderlich. Die Regale waren noch etwas leerer, die Warteschlangen noch länger als sonst. Das junge Mädchen ahnte nicht, dass in Berlin eben der Startschuss für den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in ganz Europa gefallen war. Als die Ukraine zwei Jahre danach ihre Unabhängigkeit erklärte, ging es hingegen Schlag auf Schlag. „Viele haben erhofft, dass sich alles schnell bessert – und wurden enttäuscht“, sagt die Ökonomin. Dem Kollaps der Sowjetindustrie folgten Hyperinflation, dilettantische Privatisierungen und Massenarbeitslosigkeit.
Diese „Schocktherapie“ durchlebten alle osteuropäischen Länder nach der Öffnung. „Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen waren anfangs katastrophal“, erinnert sich Leon Podkaminer, der den Mauerfall 44-jährig in Warschau miterlebt hatte. Tatsächlich brach in der ersten Phase vieles zusammen. Der Handel zwischen den Ostblockstaaten wurde flugs durch westliche Importe gestoppt, die alten Staatsbetriebe zerschlagen und verkauft. Nur Polen erreichte binnen zehn Jahren wieder dieselbe Wirtschaftsleistung wie 1989, heißt es in einem aktuellen Bericht des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche. In Tschechien dauerte es bis 2000, in Ungarn bis 2001. Russland war erst 2007 wieder auf demselben Niveau wie vorher. „Ich erinnere mich noch, wie oft alte Männer beisammenstanden und Preise von damals mit den aktuellen verglichen“, sagt Pindyuk. Es war für sie nicht absehbar, dass es auch aufwärts gehen könnte.