Konzert

Stilvoll dilettantisch: Adam Green brummelt sich ins Paradies

Adam Green (Archivbild).
Adam Green (Archivbild).(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Adam Green, der große Naive der US-Popmusik, stand einmal auf großen Bühnen. Jetzt bespielt er kleine Hallen, in denen er verlässlich aufblüht: Im Wiener Flex kitzelte er erfolgreich das Kind in seinen Hörern heraus. Er ist der legitime Nachfolger von Jonathan Richman.

Adam Green hat nicht erst seit seinem im September erschienenen zehnten Album „Engine Of Paradise“ jenen Thron erklommen, den in den Siebziger- und Achtzigerjahren Jonathan Richman innehatte. Obwohl sporadisch immer noch aktiv, lebt er heute eher zurückgezogen in Kalifornien. Will man mit ihm ein Interview machen, dann geht das nur schriftlich. Handschriftlich. Sein Management tippt dann seine Antworten ab. Schrulligkeit und schlaue Naivität in wunderbar gebauten Songs zu vereinen, das war Richmans Spezialität. Adam Green tut es ganz ähnlich. Er wird nie müde, seine ansteckende Kindlichkeit zu praktizieren.

Es gab eine Zeit, in der Green auf den großen Bühnen des Pop stand. Dort wirkte er stets verloren. In den kleinen Hallen, wie dem Flex, blüht er hingegen verlässlich auf. Als Vorprogramm präsentierte er ähnlich Gestimmte. Ein gewisser Ryder the Eagle sang Doowop-Schnulzen mit ausladender Gestik. Er sprang ins Publikum, riss sich die Kleider vom Leib. Dann kam das große Staunen: So muskulös sein Körper, so schwabbelig war seine Intonation. Das war selbstverständlich von allerhöchstem Charme. Auch der zweite Act – ein Duo mit der liebreizenden Jackie Cohen, die sang, als schrieben wir noch 1965 – zelebrierte den kindlichen Blick auf eine Welt, die das atomisierte Individuum permanent überfordert.

Schlussendlich enterte der vom Wiener Publikum innig geliebte Adam Green die Bühne. Als wüsste er vom eben eingeführten allgemeinen Rauchverbot, eröffnete er mit seiner Tschickhymne „Cigarette Burns Forever“. Egal wie verlottert Adam Green aussieht, sein Bariton bleibt hochgradig stilvoll. Selig brummelte er sich in einen Modus der Utopie. Der dominiert auch seine neuen Lieder. Etwa den Titelsong „Engine of Paradise“, den er im Flex hochfidel gab.

Greens Graphic Novel war ausverkauft

Darin geht um das Verhältnis Mensch und Maschine. Das Paradise stellt sich Green als gigantische Festplatte vor, auf die wir Sterbliche eines Tages geladen werden und dort neue Möglichkeiten finden. Um das detailliert zu veranschaulichen, hat Green auch eine Graphic Novel dazu gezeichnet. Die war leider, es war der letzte Spieltag der Tournee, ausverkauft. Green lud zum Gratisdownload. Visuell beeindruckend war auch der Keyboarder, ein weißer, extrem dünner Mann mit Mega-Afro. Green tanzte sich zu seinen prägnanten, niemals die kurze Aufmerksamkeitsspanne der Heutigen überlastenden Songs quasi einen Wolf. Seine wirren Bewegungsmuster veranschaulichten seinen genreübergreifenden Dilettantismus nachgerade ideal. Zwar wünscht er sich zuweilen einen „Escape from this Brain“, aber dann schien er doch wieder überglücklich in seiner kleinen Gedankenwelt. Dankbar stimmte er eigene Evergreens wie „Jessica Simpson“ und „Gemstones“ an. Zum Finale, dem Song „Dance With Me“, gerieten dann die weiblichen Fans vollends in Tanz- und Singwut. Während sich Green dem kitzeligen Stagediving hingab, wurde die Bühne gestürmt. Am Ende sangen die Mädchen gemeinsam mit ihrem Idol. Akzentfrei, wohlgemerkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2019)

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