Morgenglosse

Wenigstens die Queen hat jetzt wieder Ruhe

APA/AFP/POOL/VICTORIA JONES
  • Drucken

Bevor Boris Johnson den erhofften Wahlsieg einfahren kann, muss er in seiner Partei für Ordnung sorgen. Als Wiedergeburt des arroganten Gutsherrn aus dem 18. Jahrhundert ist der Konservative Rees-Mogg derzeit die beste Wahlwerbung für die Opposition.

Warum soll es der Königin viel besser gehen als dem Rest der Bewohner ihres Landes? Queen Elizabeth bekommt in diesen Tagen ihren aktuellen Premierminister Boris Johnson öfter zu sehen als ihr wohl lieb ist. Wenig mehr als vier Monate, nachdem sie ihm den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben hatte, legte er ihr am Mittwoch im Buckingham Palace den Antrag auf Parlamentsauflösung vor. Ab nun sind Johnson und Mitstreiter auf Wählerfang. Wenigstens die Queen hat jetzt wieder ihre Ruhe.

Wahlkampf, das haben die kaum 100 Tage Amtszeit Johnsons gezeigt, sind die einzige Art von Politik, die der bullige Konservative beherrscht. Unmittelbar nach der Visite bei der Queen erschien er in Winston Churchill-Pose vor seinem Amtssitz in der Downing Street, reckte die Hand zum Siegeszeichen und proklamierte, wieder einmal, seine Parole: „Lasst uns den Brexit vollenden.“

Bevor er damit den erhofften glanzvollen Wahlsieg einfahren kann, muss Johnson erst einmal in den eigenen Reihen für Ordnung sorgen. Als Wiedergeburt des arroganten Gutsherrn aus dem 18. Jahrhundert ist Parlamentsminister Jacob Rees-Mogg spätestens seit seinem „Nickerchen“ in einer entscheidenden Unterhausdebatte im September die derzeit beste Wahlwerbung für die oppositionelle Labour Party.

APA/AFP/Anna Turley/HO

Dass er sich nun auch noch dazu verstiegen hat, die 72 Toten der Brandkatastrophe im Londoner Greenfell Tower des fehlenden „Hausverstands“ zu beschuldigen und damit für ihr Schicksal selbst verantwortlich zu machen, hätten sich die Parteistrategen der Linken nicht besser ausdenken können.

Die Wahlplakate von Labour hat ihnen Rees-Mogg bereits geliefert. Sein Konterfei sagt mehr als 100 Worte. Statt von Klassenkampf zu sprechen, braucht Jeremy Corbyn nur auf den Mann im maßgeschneiderten Zweireiher verweisen, wenn er Notstandshilfeempfängern illustrieren will, was in ihrem Land schiefläuft.

REUTERS

Für Johnson, dessen Geisteshaltung sich nicht erkennbar von seinem Gesinnungsfreund Rees-Mogg unterscheidet, wird dies zunehmend zu einem Problem. Denn viele traditionelle Labour-Wähler sind auch Brexit-Angehörige. Wenn Johnson sie aus oft über Generationen hochgehaltener Parteiloyalität abwerben will, muss ihm wohl mehr einfallen, als Corbyn mit Stalin und die Labour-Politik mit der Verfolgung der Kulaken in der Sowjetunion, die Millionen Tote gefordert hatte, zu vergleichen.

Corbyn hat unter anderem gesagt, er wolle eine „Gesellschaft ohne Milliardäre“. Das gefiel vielen nicht. Die Golfstars Ian Poulter und Lee Westwood entfesselten gar einen wahren Twitter-Sturm der Entrüstung. Die Bezeichnung Corbyns als „verblendet“ war dabei fast noch ein Kompliment. Wer in England Klassenkampf sät, wird Rasenkampf ernten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.