Umfrage

Vertrauen in öffentliche Spitäler sackt ab

Clemens Fabry
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Ärzte, Pfleger und Angestellte von Spitälern wurden befragt, ob sie sich im eigenen Spital behandeln lassen würden. Das Ergebnis ist gerade für die öffentlichen Spitäler ernüchternd. Ein zentraler Grund ist der Personalmangel.

Wien. Niemand hat einen derart guten Einblick in den Spitalsbetrieb wie die Ärzte, Pfleger und Angestellten, die dort arbeiten. Sie sind täglich damit konfrontiert, was in den Spitälern schiefläuft, wo die Probleme liegen und sehen auch, was verbessert werden kann. Daher wird seit 2014 jährlich der imh Krankenhaus-Vertrauensindex österreichweit erhoben. Heuer zeigt diese Erhebung, die der „Presse“ exklusiv vorliegt, einen besorgniserregenden Trend auf, der die öffentlichen Spitäler betrifft.

1 Was sind die Kernpunkte der Befragung von Spitalspersonal?

Innerhalb eines Jahres ist das Vertrauen von Ärzten, Pflegern und Angestellten in die öffentlichen Spitäler markant gesunken. Konkret antworteten dort im Vorjahr 60 Prozent mit einem uneingeschränkten Ja auf die Frage, ob sie sich im eigenen Spital behandeln lassen würden. Heuer ist diese Zahl signifikant auf 54 Prozent gesunken – was einem Minus von sechs Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Die negative Stimmung betrifft ausschließlich die öffentlichen Spitäler. Bei Angestellten von Ordens- und Privatspitälern ist die Bewertung dagegen deutlich gestiegen. Bei den Angestellten von Ordensspitälern auf 73 Prozent (plus fünf Prozentpunkte), bei jenen der Privatspitäler sogar auf 86 Prozent (plus zwölf Prozentpunkte).

Fazit: Während Zufriedenheit und Vertrauen von Mitarbeitern in öffentlichen Spitälern signifikant sinken, steigen sie dagegen deutlich in Ordens- und Privatspitälern.

Die Presse/GK

2 Was sind die Gründe für die Probleme in öffentlichen Spitälern?

Barbara Steffl von imh zur „Presse“: „Bei den Zusatzfragen kommt sehr stark das Argument eines Personalengpasses.“ Nachsatz: „Das war in den vergangenen Jahren hier nicht so drastisch.“ Offensichtlich gebe es im öffentlichen Bereich die Befürchtung des Spitalspersonals, dass sich der Personalmangel nun auf die Qualität der Behandlung im eigenen Spital niederschlage, so Steffl: „Denn die Situation ist im öffentlichen Bereich dramatischer als im privaten Bereich oder bei den Ordensspitälern.“

3 Müssen Patienten jetzt Angst vor öffentlichen Spitälern haben?

Definitiv nein! „Die Bereitschaft, sich im eigenen Spital behandeln zu lassen, liege in allen Krankenhäusern „eigentlich über 80 Prozent“. Hier sind jene zusammengezählt, die sich „sicher“ und „eher ja“ im eigenen Spital behandeln lassen würden. Es zeigt allerdings, dass die öffentlichen Spitäler, aufgrund des Personalmangels, vor einem gewaltigen Problem stehen.

4 Welche Probleme sehen die Spitalsangestellten als dringend an?

Hier überrascht die Antwort: Nicht der Mangel an Ärzten, sondern der Mangel an Pflegekräften wird von den Spitalsangestellten als größtes Problem der nächsten Jahre gesehen. Das Problem, Ärzte zu finden, rangiert bei den Herausforderungen überhaupt erst auf Platz vier. Dazu meint Steffl: „In den Medien wird sehr stark über eine Ärzteknappheit diskutiert und nur wenig über einen Pflegenotstand.“ Damit gehe das Problem im Pflegebereich eher unter – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Spitalsangestellten dagegen schätzen die Situation an ihrem Arbeitsplatz völlig anders ein.

5 Wie dramatisch ist die Situation im stationären Pflegebereich?

Geht man nach den Antworten der Spitalsbediensteten, ist die Situation dramatisch. 64 Prozent der Ärzte antworten mit einem uneingeschränkten Ja auf die Frage, ob sie sich im eigenen Spital behandeln lassen würden – was dem Wert des Vorjahres entspricht. Bei dem Pflegepersonal sind es dagegen nur rund die Hälfte. Denn die uneingeschränkte Zustimmung zum eigenen Spital ist beim Pflegepersonal von 2018 auf 2019 förmlich eingebrochen – um elf Prozentpunkte auf nur mehr 52 Prozent. Anders formuliert: Im Pflegebereich bahnt sein ein gravierendes Problem an, das den Ärztemangel völlig in den Schatten stellt. Und das mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit.

6 Sind Österreichs Spitäler auf eine alternde Gesellschaft vorbereitet?

Die Antwort des Spitalspersonals ist ernüchternd. Nur 13,3 Prozent der Befragten erklären, dass die heimischen Spitäler auf die demografischen Entwicklungen gut vorbereitet sind. Angemerkt wurde dazu, dass die Infrastruktur ausreichend ist, die Personalknappheit (gerade im Pflegebereich) aber das größte Problem darstellt.

7 Welche Möglichkeiten gibt es, die Probleme zu lösen?

Eine Möglichkeit, die Probleme zumindest zu lindern, ist die Verkürzung der Aufenthaltsdauer von Patienten im Spital. Dafür muss aber eine ambulante Nachversorgung existieren. Und gerade hier sieht das Spitalspersonal ein gravierendes Manko. Denn 73,5 Prozent der Befragten orten in einer unzureichenden ambulanten Versorgung der Österreicher den Grund der (im internationalen Vergleich) großen Häufigkeit stationären Krankenhausaufenthalts. Verschärfend kommt hinzu, „dass es zu wenig Nachsorgeeinrichtungen gibt“, wird in dem Bericht festgehalten. „Gerade die Öffnungszeiten sind hier ein Problem“, meint Steffl. Also die mangelnde Verfügbarkeit des niedergelassenen Bereichs zu Randzeiten, weshalb die Patienten dann in die Ambulanzen ausweichen. Die Folge: „Es werden in einem teuren System Leistungen erbracht, die woanders billiger erbracht werden können.“

8 Wer hat die Befragung erstellt, wer genau wurde befragt?

Seit 2014 führt imh die (laut eigenen Angaben) repräsentative Umfrage jährlich durch. Der Kongressanbieter für den Spitalsbereich lädt dabei rund 4000 Personen per Fragebogen ein, ihre Meinung zu artikulieren (berücksichtigt wird nur Personal, das in einem Spital arbeitet). Jährlich antworten bis zu 400 Personen, was einer respektablen Rücklaufquote von zehn Prozent entspricht. Denn ab 15 Prozent gelten Rücklaufquoten bereits als bemerkenswert hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2019)

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