Experten: Zu viele Spitäler, zu wenig Geld für Pflege

Experten: Zu viele Spitäler, zu wenig Geld für Pflege
Experten: Zu viele Spitäler, zu wenig Geld für Pflege (c) FABRY Clemens
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Experten sprechen sich für einen Abbau der Spitalsbetten in Österreich aus. Außerdem gebe es zu viele Krankenhäuser.

Österreich leistet sich im internationalen Vergleich zu viele teure Spitalsbetten und zu viele kleine Krankenhäuser. Allein der Rückbau der derzeit 52.600 "Akutbetten" auf EU-Niveau würde nach Ansicht der von der Regierung eingesetzten Expertengruppe zur Verwaltungsreform Einsparungen von 2,9 Milliarden Euro ermöglichen. Im Gegenzug könnte die günstigere Versorgung der Bevölkerung durch niedergelassene Ärzte ausgebaut und Geld in den Pflegebereich investiert werden. Letzterer steht vor einer wahren Kostenexplosion: Die Ausgaben werden sich bis 2030 auf 8,5 Mrd. Euro mehr als verdoppeln.

Laut dem der Austria Presse Agentur (APA) vorliegenden Bericht hätte das österreichische Spitalswesen reichlich Potenzial für Strukturreformen. Demnach haben von insgesamt 130 "Fondskrankenanstalten" (also de facto öffentliche Spitäler) 50 weniger als 200 Betten, insgesamt 81 Spitäler haben weniger als 300 Betten (Stand März 2010). Diese Krankenhäuser müssen nach Ansicht der Expertengruppe "Kostennachteile" in Kauf nehmen, da Spitäler unter 300 Betten nicht so effizient geführt werden können wie größere Einrichtungen.

Überversorgung mit Krankenhausbetten

Zusätzlich zur kleinstrukturierten Spitalslandschaft leistet sich Österreich dem Bericht zufolge auch eine Überversorgung mit Krankenhausbetten. Während die 15 "alten" EU-Staaten nur 3,8 Akutbetten je 1.000 Einwohner benötigen, sind es in Österreich 6,4. Dementsprechend werden auch deutlich mehr Österreicher ins Spital eingeliefert: 26,6 von 100 Einwohnern landen jährlich in Akutspitälern, im EU-Schnitt sind es nur 15,4. "Teure Akutbetten werden teilweise mit austherapierten und auf einen Pflegeheimplatz wartenden Patienten belegt", kritisiert der Expertenbericht.

Eine effiziente Strukturplanung wird nicht zuletzt von der Politik erschwert. "Standortgarantien erschweren die Einrichtung von überregionalen stationären Versorgungsstrukturen und die Schaffung von optimalen Betriebsgrößen", heißt es dazu im Bericht. Konkrete Fälle werden zwar nicht genannt, allerdings sind sie ohnehin bekannt: So verhinderten ÖVP, Kommunisten und ein Grüner Abgeordneter Ende 2009 im steirischen Landtag die Schließung der Chirurgien Bad Aussee und Mürzzuschlag und Niederösterreich baut in Mödling und Baden zwei Spitäler in nur zehn Kilometer Distanz.

Allein der Rückbau der derzeit 52.600 Akutbetten auf EU-Niveau würde nach Ansicht der Experten Einsparungen von 2,9 Mrd. Euro ermöglichen. Das Geld könnte in den gleichzeitigen Ausbau der kostengünstigeren Versorgung der Bevölkerung durch niedergelassene Ärzte investiert werden. Insgesamt geht der Trend bereits in diese Richtung: Kärnten, Vorarlberg und Wien haben die Zahl der Akutbetten seit 2003 stark reduziert. Nicht so allerdings Niederösterreich, Salzburg und Tirol, wo es sogar Zuwächse zwischen ein und vier Prozent gab.

Mehr Geld für Pflege benötigt

Dringend mehr Geld benötigen würde nach Ansicht der Experten der Pflegebereich. Hier wird ein Anstieg der Kosten von rund vier Mrd. Euro im Jahr 2010 auf 8,5 Mrd. Euro im Jahr 2030 erwartet. Darauf vorbereitet sind allerdings weder der Bund noch die Länder, heißt es im Bericht: "Es existiert keine umfassende Absicherung gegen das finanzielle Risiko der Pflegebedürfigkeit." Allein das Pflegegeld des Bundes hat seit seiner Einführung 1993 mangels Inflationsausgleich die Hälfte an Wert verloren.

Als dritte Baustelle neben Krankenhäusern und Pflege nennt der Expertenbericht die Finanzierung der Gebietskrankenkassen. Wegen stark steigender Ausgaben sei diese langfristig "nicht gewährleistet", heißt es im Bericht (siehe APA016 vom 6. Juni). Besonders stark angestiegen sind von 1998 bis 2008 die Medikamentenkosten (plus 82,1 Prozent auf 7,2 Mrd. Euro), auch die Ausgaben für die stationäre Versorgung in Spitälern sind überproportional gestiegen (plus 57,3 Prozent auf 11,8 Mrd. Euro). Außerdem werden einmal mehr die unübersichtlichen Finanzierungsstrukturen kritisiert, die eine sinnvolle Planung des Gesundheitssystems über alle Bereiche hinweg verhindern.

(APA)

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