Gastkommentar

Wir leben in der Republik!

Zum VfGH-Erkenntnis zu Adelstiteln. Karl Habsburgs Rechtsgang war zutiefst unsympathisch und unverständlich.

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Wer jemals in der – doch sehr imperialen – Hauptstadt Wien bürgerlicher Gast eines Adelsauftriebs war, ist von der Zweiklassengesellschaft für ein Leben lang geheilt. Besonders lächerlich wird es, wenn ein Nachkomme eines in Österreich-Ungarn nobilitierten Edlen oder Ritters den Enkel oder Urenkel eines Erzherzogs untertänigst mit „Kaiserliche Hoheit“ anspricht oder tituliert. Alles selbst erlebt.

Und jetzt Karl Habsburg-Lothringen, der vor unserem rechtsstaatlichen Verfassungsgerichtshof um sein rechtswidriges Adelsprädikat „von“ kämpft, was gerade er nicht einmal im Ansatz notwendig hat, zumal jeder halbwegs gebildete österreichische Mensch weiß, wer die Habsburger waren. Nämlich über sechshundert Jahre eine Herrscherfamilie, die unsere Heimat letztlich in einen Weltkrieg verwickelt hat, und wofür Karl der Letzte von einer Kirche, die schon immer mehr für die Oberen als die Unteren übrig hatte, völlig unverständlicherweise selig gesprochen wurde.

Ich habe mich für die Habsburger, im Besonderen für jene ab Maria Theresia und Joseph II. bis zu ihrem Ende, immer interessiert. Die Zeit rund um die Aufklärung bis zum Zerfall Österreich-Ungarns ist interessant und teilweise groß. Es sei nicht verhehlt, dass die österreichischen Volksgruppen, die Slowenen, Kroaten und andere, nie größere Rechte hatten als unter den Habsburgern, was sie mir immer sympathisch gemacht hat.

Der jetzige Rechtsgang Karl Habsburg-Lothringens ist hingegen zutiefst unsympathisch. Der Sohn des letzten österreichisch-ungarischen Kronprinzen anerkennt nicht oder vielmehr bezweifelt die geltende Rechtsordnung der Republik, deren Staatsbürger er ist und deren Bundesheer er gedient hat.

Der sogenannte Adel wurde in der demokratischen Republik Österreich mit dem „Gesetz vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden“ ein und hoffentlich für alle Mal abgeschafft. Der Versuch, diese Norm als rechtswidrig zu bekämpfen, ist in etwa so lächerlich wie das Kokettieren der „Briefadeligen“ mit ihrer aufgehobenen Würde in der Form des mit Tinte durchgestrichenen „von“ auf einer Visitenkarte. Auch selbst erlebt. Nicht nur einmal.

Amtstitel nicht abgeschafft

Nachdem in Österreich Titel besonders beliebt sind, sei erwähnt, dass die von den öffentlichen Stellen verliehenen Amtstitel nicht aufgehoben wurden. Es gibt, wie allgemein bekannt ist, nach wie vor den Hof-, Medizinal- und Regierungsrat sowie viele andere, inzwischen sind alle diese Titel gegendert.

Die Führung der Adelstitel ist nicht gerichtlich strafbar, sondern eine Verwaltungsübertretung. Die Verwendung der Titel ist im Verkehr mit Ämtern und Behörden sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Äußerungen rechtswidrig. Der Gebrauch im gesellschaftlichen Verkehr, bei dem auf aufgehobene Titel hingewiesen wird, wird dann ohne Sanktionen bleiben, wenn er nicht eine Missachtung der Bestimmungen des Adelsaufhebungsgesetzes darstellt. Der angeheirateten „Gräfin“, die sich in ihrer eigenen Schlossküche als solche geriert, sei es unbenommen.

Unverständlich ist jedenfalls, dass sich Frauen und Männer, die lang nach dem Ende Österreich-Ungarns geboren worden sind, über die Entadelung ihrer Ur- und Großväter sowie -mütter derart echauffieren können. Wir leben in der Republik. Es gibt kein Zurück.

Janko Ferk (*1958) ist Träger mehrerer selbst erworbener Titel, Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Zuletzt erschien sein wissensch. Essayband „Kafka, neu ausgelegt“ (Leykam-Verlag, Graz).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2019)

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