Ausstellung

Das verschüttete jüdische Leben

Angesengte Bücher: Die unterirdische „Zeitkapsel“ offenbarte Spuren des Alltags wie der Zerstörung.
Angesengte Bücher: Die unterirdische „Zeitkapsel“ offenbarte Spuren des Alltags wie der Zerstörung.Klaus Pichler
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Ein Zufallsfund im Keller einer Schule in der Wiener Malzgasse erinnert an das jüdische Alltagsleben bis zum Novemberpogrom 1938: zu sehen im Haus der Geschichte.

Wäre die Vitrine nicht, man könnte den Brandgeruch noch wahrnehmen, heißt es. Sehen kann man sie nun jedenfalls, die beiden improvisierten Wurfbrandsätze, die vor 81 Jahren auf die Malzgasse Nummer 16 gefeuert wurden. Zwei verwitterte, klumpige Büchsen. Jahrzehntelang lagen sie unter meterhohem Schutt im Keller des Gebäudes begraben, gemeinsam mit den Überresten der Zerstörung, die sie angerichtet hatten. Das erste jüdische Museum der Welt, eine jüdische Schule, eine Synagoge befanden sich an der Wiener Adresse, die beim Novemberpogrom 1938 zum Schauplatz der Verwüstung wurde. Die Sonderausstellung „Nicht mehr verschüttet“ im Haus der Geschichte versammelt nun in einer großen Vitrine Fundstücke, die vom jüdischen Leben bis 1938 erzählen.

Dass sie ausgegraben wurden, hängt mit dem Platzmangel in der jüdisch-orthodoxen Talmud-Thora-Schule zusammen: 1956 konnte sie in der Malzgasse den Schulbetrieb wieder aufnehmen, heute platzt sie aus allen Nähten. Auf der Suche nach neuen Räumen hat der Generalsekretär des Schulvereins, Arieh Bauer, im Vorjahr unter dem Turnsaal einen Gewölbekeller voller Schutt entdeckt. Der war 1939 gefüllt und zugemauert worden: Die Synagoge, die an dieser Stelle stand, war beim Pogrom bis auf die Gebäudehülle zerstört worden; die NS-Machthaber zwangen die Israelitische Kultusgemeinde, über dem versiegelten Schutt ein Altersheim einzurichten (später diente der Ort als Sammellager und als jüdisches Spital). Warum auch Alltagsgegenstände, Schulbedarf und schon damals wertvolle religiöse Ausstellungsobjekte in dem lang vergessenen Keller mitvergraben wurden, ist Bauer und der Ausstellungskuratorin Birgit Johler ein Rätsel.

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