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Coworking Spaces: Robust statt bunt

Man trifft sich, quatscht und arbeitet in Ruhe: Coworking-Büros wie das Axis in der Linzer Tabakfabrik.
Man trifft sich, quatscht und arbeitet in Ruhe: Coworking-Büros wie das Axis in der Linzer Tabakfabrik.AXIS/Lisi Fehkuerer
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Coworking Spaces wetteifern weltweit mit ausgefallensten Design- und Servicekonzepten. Wirklich wichtig sind aber eher bodenständige Faktoren, die den Arbeitsplatz auf Zeit attraktiv machen.

Das Schild zeigt eine Taucherbrille und ein Paar Flossen, der Schriftzug darunter sagt: „Der einzige Anzug den Du hier brauchst.“ An der Wand stehen zwei Stühle vor einem Tisch in Knalltürkis, den man mit viel Wohlwollen als Schreibtisch interpretieren kann, mitten im Raum liegt ein Sitzsack, auf der Terrasse baumelt eine Hängematte, und natürlich gibt es freies WLAN. So eingerichtet wird der jüngst als erster Coworking Space in Belize eröffnete Strandbungalow auf Tobacco Key, trotz seines eher günstigen Mobiliars, als einer der coolsten Vertreter seiner Art gefeiert.

Mit Spa, Bar, Meerblick

Andere Mitglieder der ständig wachsenden und wetteifernden Coworking-Community sind aber auch nicht einfallslos, wenn es um die Ausstattung jener Räume geht, in denen sie sich zum Arbeiten treffen. So kann man im „3den“ in New York City elegant designte Schreibtische nutzen, die lederbezogene Schaukel mit Blick auf den Hudson River und die an einstige Grandhotel-Lobbys erinnernden Telefonzellen – und auch gleich im dazugehörigen Spa entspannen oder einfach duschen. „Wie eine Airport Lounge nur ohne Gepäck“ heißt hier der Slogan, dem man gerecht werden will. Das „Kensington Pavilion“ in Londons Kensington High Street versteht sich dagegen als Mischung aus Fünf-Sterne-Hotel und privatem Club, in der die modernen Arbeitsnomaden in ganz großem Design irgendwo zwischen High-End-Industrial, Guggenheim-Atmosphäre, Pop-Art und dunkel-gediegenem Chefbüro ab knapp 2000 Euro monatlich an einem Tisch sitzen dürfen. Und im Work in Progress (W.i.P.) im kroatischen Split sitzt der Werktätige auf coolen Metallstühlen vor Sichtbetonwänden, die mit Schriftzügen wie „Punch Today in the Face“ Motivationshilfen anbieten. Wer die nicht braucht, kann sich auch einfach umdrehen und den Meerblick genießen – oder sich an die Bar setzen.

»Es geht darum, über den Tag in verschiedenen Szenarien arbeiten zu können«

Julian Schramek, CBRE

So schön all die Designs auch sind, am Ende des Tages geht es in den Coworking Spaces der Welt dann doch immer darum, dass die Arbeit erledigt, neue Kontakte geknüpft und vielleicht auch Inspiration gefunden werden kann.

In Wien gibt es dafür derzeit rund 100 Orte, die ebenso vielfältig sind wie ihre internationalen Mitbewerber – wenn auch ohne Meerblick und Spa. Allerdings geht es für ein funktionierendes Design weniger darum, ob die Decke aus Beton gefertigt oder die Couch im Fünfzigerjahre-Stil gehalten ist. Viel wichtiger ist, wie man Bereiche für alle Bedürfnisse des Tages, aber auch die verschiedenen Communities schafft. „Ein guter Coworking Space muss unterschiedliche Varianten von offenen und geschlossenen Räumen, Ruhezonen und solchen für die Kommunikation bieten“, erklärt Barbara Inmann, Managing Director von Impact Hub Vienna, deren Unternehmen heuer den Office of the Year-Award von CBRE in der erstmals vergebenen Kategorie „Coworking Spaces“ gewonnen hat.

»Ein guter Coworking Space muss unterschiedliche Varianten von offenen und geschlossenen Räumen, Ruhezonen und solchen für die Kommunikation bieten«

Barbara Inmann, Impact Hub Vienna

Wobei auch die Anordnung dieser Bereiche eine wichtige Rolle spielt: „Sinnvoll ist es, wenn der Eingangsbereich der Ort ist, wo es eher laut zugeht, man sich miteinander connected“, erklärt Inmann, „und je weiter man hinein – oder wie bei uns auch hinauf – kommt, desto ruhiger wird es.“ Und durch das Design lässt sich Orientierung dafür schaffen, wo man sich gerade befindet und welches Verhalten dort erwünscht ist. So ist einer der Räume, in denen konzentriert gearbeitet werden soll, im Impact Hub Vienna im Stil einer Bibliothek eingerichtet, mit Büchern an den Wänden – was der Schalldämpfung ohnehin gut tut – und mit jenen klassischen grünen Leselampen, die jedem, der einmal in einer Bibliothek gelernt hat, schon bei lauterem Ausatmen ein schlechtes Gewissen bereiten. Im Networking-Bereich darf dagegen eine Wohnzimmer-Atmosphäre herrschen, die dazu einlädt, es sich eine Weile bequem zu machen, einen Kaffee zu trinken und mit den anderen zu plaudern. Und sich durch buntes Mobiliar, und andere Anregungen inspirieren zu lassen. „Wir haben beispielsweise wechselnde Kunstausstellungen bei uns“, nennt Inman ein Beispiel, wie solche Inspirationen aussehen können.

Werkbank, Wuzler

Denn die Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen, gehört mit zu den wichtigsten Gründen für das Arbeiten in einem Coworking Space, wie Julian Schramek, Head of Building Consultancy bei CBRE, erklärt: „Dabei geht es darum, einen Tapetenwechsel zu haben, nicht nur zu Hause zu arbeiten, mal wieder raus zu kommen und über den Tag in verschiedenen Szenarien arbeiten zu können.“ Zu den Motiven für eine Tagestischmiete gehöre neben der klassischen Büroausstattung von WLAN und Druckern bis Postfächern eine Vielfalt im Detail. Zum Beispiel Küchensituationen, wie man sie noch aus Studentenzeiten kennt, aber auch Außenbereiche mit Terrassen oder Elemente wie Werkbänke, Wuzler oder Fitnessgeräte, die dabei helfen, die Kreativität anzuregen – und vielleicht nach der Arbeit auch noch auf ein Bier mit den anderen Coworkern zu gehen.

Gewinner der letzten CBRE-Awards: Impact Hub Vienna
Gewinner der letzten CBRE-Awards: Impact Hub ViennaImpact Hub Vienna

Wobei es nicht ganz glatt zugehen muss, vielmehr dürfen heute ungewöhnliche Wege gegangen werden, um die Kreativität und Fantasie in den modernen Arbeitswelten anzuregen, wie Didi Lenz, Head of Innovation and Design bei bene, erklärt, der mit der „Pixel“-Serie Arbeitsmöbel entworfen hat, die sich ständig neu und bedarfsorientiert zusammensetzen und nutzen lassen. „Eine gewisse Uneindeutigkeit kann sehr fantasieanregend sein und Neugier möglich machen. Damit lassen sich Dinge bauen, die Eisbrecher sind“, ist er überzeugt. „Denn die Zeit verlangt nach einem neuem Begriff von Design, das eher robust als bunt ist, und nicht heikel.“ Dabei will Lenz den bunten Arbeitswelten von Google und Co., die viele frühe Coworking Spaces geprägt haben, keinesfalls die Berechtigung absprechen: „Das Bunte war ein Weckruf für die grauen Bürowelten von einst, der von 2000 bis 2015 gesagt hat ,kommt raus, redet miteinander‘“, erklärt er. „Jetzt braucht es aber neue Handlungsroutinen, und neue Businesskonzepte gehen von Coworking zu Cocreation Spaces, wie beispielsweise in Idea-Labs“, nennt er die Trends der Zukunft.

»Die Zeit verlangt nach einem neuem Begriff von Design, das eher robust als bunt ist, und nicht heikel«

Didi Lenz, bene

Aber auch in den klassischen Coworking-Settings findet eine ständige Weiterentwicklung statt – was den Stil und die Funktionalität angeht. Ersteres richtet sich natürlich immer nach der Art der Community, an die sich der jeweilige Coworking Space wendet: Wenn hier eher Kreative zusammengebracht werden, wird man sich für ein anderes Design entscheiden, als wenn sich die IT-Experten wohlfühlen sollen.

„Es gibt bei weitem nicht nur lustig-bunte Google-Büros, sondern auch klassische Regus-Räume“, betont Schramek, „denn arrivierte, börsennotierte Unternehmen mit erhöhtem Platzbedarf nutzen diese Spaces ebenso, lassen teilweise Büros darin für die eigene Firma branden.“

Ergonomie statt Secondhand

Und die Zeiten, in denen hier auf Flohmarktstühlen gewerkt wurde, sind in jeder Hinsicht vorbei. „Der Ursprung der Coworking Spaces war ja eine Initiative des Individuums gegen das etablierte Unternehmertum, die Mutter der Veränderung und ein früher Vorbote der veränderten Ökonomie mit viel Do it yourself“, erinnert Lenz. „Dann ist das Konzept kommerzialisiert und überholt worden, und wird heute nicht mehr nur von Entrepreneurs genutzt, sondern auch von Businesses, die Kosten senken wollen.“ Und die sich trotzdem für ihre Mitarbeiter einen qualitativ hochwertigen Arbeitsplatz erwarten, wie Inmann weiß: „Die Ausstattung ist in den vergangenen Jahren definitiv immer wichtiger geworden“, berichtet sie. „Wir haben zwar seinerzeit mit Secondhandmöbeln begonnen, aber inzwischen gibt es nur mehr gute, ergonomische Stühle mit hoher Funktionalität. Die Qualität muss auch in anderen Bereichen passen – zum Beispiel beim Kaffee“, kennt sie die kleinen Erfolgsfaktoren mit großer Wirkung. „Coworking bedeutet eben nicht, dass man ein paar Tische zusammenstellt, ein paar Hipster-Elemente hineinbringt und dann passt es schon.“ Zumindest dann nicht, wenn man sein Angebot nicht auf einer kleinen karibischen Insel unterbreitet und eine Hängematte auf die Terrasse hängt.

Auf einen Blick

Seit Mitte der Nullerjahre sind sie überall auf der Welt aus dem Boden geschossen und bieten all jenen einen Ort zum Arbeiten, die von Hause aus nicht an ein Büro gebunden sind. Das können (Geschäfts-)Reisende genauso sein wie Einzelkämpfer, die aber nicht immer allein daheim sein mögen. Inzwischen nutzen aber auch durchaus große Firmen nahegelegene Coworking Spaces, um Projektgruppen unterzubringen oder in Hochproduktionsphasen kurzfristig zusätzlichen Arbeitsplatz anzumieten. Die Preise beginnen in Wien je nach Lage, Ausstattung und Dauer bei circa zehn Euro pro Tag für einen Schreibtisch, der abends wieder geräumt werden muss oder ein paar hundert Euro für ein absperrbares Büro — Heizung, WLAN, Kaffee, Drucker und Besprechungsräume inklusive. Nach oben sind vor allem international keine Grenzen gesetzt — wer in Londons Toplagen residieren möchte, muss eher mit ein paar Tausend Euro rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2019)

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