Seit Jahrzehnten geloben Europas Politiker, den grenzüberschreitenden Bahnverkehr ausbauen zu wollen. Doch oft stehen ihre eigenen nationalstaatlichen Interessen dem entgegen.
Interview

„Das System Eisenbahn ist zu teuer“

Die EU-Eisenbahnagentur ist seit heuer für die Zulassung aller grenzüberquerenden Züge zuständig. Ihr österreichischer Chef, Josef Doppelbauer, hofft, den Zug zur klimafreundlichen Konkurrenz für Flugzeug und Auto zu machen.

Brüssel. Jedes Mal, wenn es Josef Doppelbauer, den Chef der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA), dienstlich nach Brüssel verschlägt, bekommt er die Missstände, die seine Behörde beheben soll, am eigenen Leib zu spüren. Denn zwischen dem Sitz der ERA im französischen Valenciennes und der rund 80 Kilometer entfernten Hauptstadt der EU gibt es keine Zugverbindung – und nicht einmal Geleise. „Es fehlen dort 800 Meter Schienen, die man vor ungefähr 20 Jahren herausgerissen hat“, sagt der an der Technischen Universität Wien promovierte Physiker und frühere hochrangige Manager bei Alcatel und Bombardier, im Gespräch mit der „Presse“. Somit muss der oberste Eisenbahnregulator Europas jedes Mal zum und vom Bahnhof im belgischen Mons chauffiert werden. „Die Fragmentierung an den Grenzen führt dazu, dass man die Eisenbahnen nicht über die Grenzen baut“, beklagt Doppelbauer. „Grenzüberschreitende Strecken haben keine Priorität.“

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Und mehr noch: Oft stehen nationale Prioritäten diesem Ziel direkt entgegen. Das Beispiel der fehlenden Verbindung von Valenciennes nach Belgien illustriert dies. Der Industrie in der Region wäre mit einer direkten Zuganbindung an die belgischen Häfen Zeebrugge und Antwerpen geholfen. Zudem könnte sie sich mit dem Industriestandort Mons vernetzen. An dieser Konkurrenz hätte jedoch das benachbarte Lille kein Interesse. Und die Franzosen möchten zudem ihre Häfen in Dunkerque, Le Havre und Cherbourg nicht konkurrenzieren.

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