Prozess gegen Jerome Kerviel beginnt

Prozess gegen Jerome Kerviel
Prozess gegen Jerome Kerviel(c) AP (THIBAULT CAMUS)
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Jerome Kerviel, der Börsenhändler, der die Societe Generale fast fünf Milliarden Euro kostete, steht vor Gericht. Sein Anwalt sieht Kerviel als Opfer des Systems, die Anklage pocht auf seine Verantwortung.

Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des größten französischen Bankenskandals hat in Paris der Prozess gegen den ehemaligen Händler Jerome Kerviel begonnen. Kerviel erschien am Dienstag mit seinem Verteidiger im Pariser Justizpalast, dem Staranwalt Olivier Metzner. Der ehemalige Trader muss sich wegen Vertrauensbruchs, Fälschung und unberechtigten Eindringens in das Computersystem der Societe Generale verantworten. "Auf Fragen wird er vor Gericht antworten", sagte sein Anwalt zu den Dutzenden Journalisten und Fotografen, die Kerviel umringten. Die Societe Generale macht Kerviel für einen Schaden von 4,9 Milliarden Euro verantwortlich, der im Januar 2008 durch waghalsige Spekulationsgeschäfte des Händlers entstanden war.

Sündenbock für krankes System?

"Wie immer bei einer Krise soll die Verantwortung auf einen Menschen abgewälzt werden und nicht auf das System", sagte Kerviels Anwalt unmittelbar vor Auftakt des knapp dreiwöchigen Verfahrens. "Den Fall Kerviel würde es gar nicht geben, wenn das System, die Bank, die Societe Generale, ihre Rolle erfüllt hätten."

"Alles stand auf einem Bildschirm", und fünfhundert Menschen hätten diesen Bildschirm sehen können, sagte der Anwalt. Kerviel habe mit mehreren Kollegen zusammen an einem Arbeitsplatz im Handelsraum gesessen, der Platz seines Vorgesetzten sei nur zwei Meter entfernt gewesen. Wenn Kerviels Chef nun behaupte, nichts von den milliardenschweren Spekulationen mitbekommen zu haben - "was hat er den ganzen Tag lang getan?", fragte der Verteidiger, der auf Freispruch plädieren will.

"Kerviel ist kein Kind"

Die Anklage macht dagegen geltend, dass Kerviel "kein Kind, kein verantwortungsloser Minderjähriger und kein kranker Erwachsener" sei. Der ehemalige Händler müsse für seine Taten einstehen, forderte der Anwalt der Societe Generale, Jean Veil. "Wenn bei Ihnen in der Wohnung eingebrochen wird, kann man ihnen vielleicht vorwerfen, sie hätten die Fensterläden oder die Tür schlecht geschlossen - aber auf der Anklagebank sitzt der Einbrecher."

Kerviel hatte nach Bekanntwerden des Skandals im Jänner 2008 nicht bestritten, Fehler gemacht und die Bodenhaftung verloren zu haben. Er gibt auch zu, seine ungenehmigten Geschäfte durch Scheinaktionen verschleiert zu haben. Er betonte aber stets, dass seine Kollegen und Vorgesetzten dies gewusst und geduldet hätten, solange es Geld eingebracht habe. "Wir haben das alle gemacht, wir waren darauf trainiert, wir wurden dafür bezahlt", sagte Kerviel. Dem Franzosen drohen fünf Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 375.000 Euro. Der Prozess soll am 25. Juni zu Ende gehen.

(Ag. )

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