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Autorität? Nein, danke!

Gehorsam – nur etwas für Kinder?
Gehorsam – nur etwas für Kinder?(c) Carroll Seghers / PhotoResearche (Carroll Seghers)
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Hannah Arendt, Adolf Eichmann und Immanuel Kant: Gehorchen oder nicht, das ist hier die Frage. Über ein missverstandenes Zitat und einen vernichtenden Stammbucheintrag.

Man kann es als Leuchtschrift am Finanzamt in Bozen lesen oder auf einer Einfassungsmauer im Hannah-Arendt-Park in Wien-Aspern: Niemand (eigentlich „kein Mensch“) hat das Recht zu gehorchen! Es war das große Schlagwort der 68er-Bewegung und hat bis heute seinen Reiz, obwohl eigentlich ein Missverständnis daran hängt. Der denkwürdige Satz fiel am 9. November 1964 in einem Radiointerview, das Joachim C. Fest, der spätere Hitler-Biograf, mit Hannah Arendt führte. Genau genommen ist es ein entstelltes Zitat, Arendt hatte gesagt: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant.“

Die Betonung liegt auf Kant, und das wiederum hat mit Adolf Eichmann zu tun, der sich 1961 vor einem israelischen Gericht auf Kants Moralvorschriften berufen hat. Für Hannah Arendt, die den Prozess in Jerusalem verfolgte, war das geradezu lächerlich und ein Zeichen von Dummheit, wenn Eichmann geglaubt hatte, mit einer solchen Rechtfertigung durchzukommen. Kants Pflichtbegriff als Richtschnur für die Verbrechen der Nazis? Der kategorische Imperativ als Begründung für Massenmord? Er habe sich sein Leben lang an Kant gehalten, er sei immer pflichtbewusst gewesen. So zeichnete Eichmann von sich das Bild des Befehlsempfängers, der Befehle ausgeführt habe, weil es eben die Pflicht erforderte. Und einer, der das tut, trage keine Verantwortung, weil er eben bloß gehorcht habe.

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