Klaus Johannis in der Pole Position

APA/AFP/POOL/JULIEN WARNAND
  • Drucken

Rumänien. Bei der Präsidentenwahl galt der Amtsinhaber bis zuletzt als haushoher Favorit. Johannis hatte sich in den vergangenen Jahren für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingesetzt.

Bukarest/Belgrad. Als haushoher Favorit biegt der amtierende Staatschef Klaus Johannis auf die Zielgerade von Rumäniens Präsidentschaftskür ein. Ergebnisse des ersten Wahlgangs am Sonntag lagen bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe zwar noch nicht vor. Doch laut letzten Umfragen zieht der deutschstämmige Amtsinhaber mit einem klaren Vorsprung in die Stichwahl am 24. November ein: Alles andere als eine Wiederwahl des 60-Jährigen wäre eine Riesenüberraschung.

Zwar ist Rumänien keine Präsidialdemokratie und lassen sich die begrenzten Befugnisse des Staatschefs in Bukarest kaum mit der Machtfülle seines französischen Amtskollegen vergleichen. Doch im Gegensatz zum deutschen oder österreichischen Präsidenten gehen die Zuständigkeiten des rumänischen Staatsoberhaupts weit über rein repräsentative Funktionen hinaus: Rumäniens Präsident ist nicht nur Oberbefehlshaber der Streitkräfte, sondern repräsentiert das Land auch bei Gipfeltreffen des Europäischen Rats.

Im Clinch mit der PSD

Doch auch innenpolitisch ist der Staatschef mehr als nur ein Repräsentant: Seine begrenzten, aber vorhandenen Einflussmöglichkeiten hat Johannis beim Tauziehen um die bedrohte Unabhängigkeit von Rumäniens Justiz in den vergangenen fünf Jahren klug genutzt.

Das Bestreben von Liviu Dragnea, dem Ex-Chef der sozialdemokratischen PSD, die Justiz unter Regierungskontrolle zu bringen, vermochte Johannis zwar nicht gänzlich zu verhindern, aber zumindest so sehr abzubremsen, dass dessen Ansinnen einer Selbstamnestie für korrupte Politiker scheiterte: Seit Ende Mai sitzt der wegen Amtsmissbrauch auch in zweiter Instanz zu dreieinhalb Jahre Haft rechtskräftig verurteilte Dragnea seine Strafe hinter Gittern ab. Mehrmals machte Johannis zum Ärger der bis vor kurzem regierenden PSD auch von seinem Recht Gebrauch, die Ernennung fragwürdiger Minister zu verweigern oder an Kabinettssitzungen teilzunehmen.

Obwohl der Präsident mit der wiederholten Einschaltung des Verfassungsgerichts die von Dragnea kontrollierten PSD-Regierungen kräftig verärgerte, vermochte er die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu vermeiden. Als gelungener Schachzug erwies sich zudem seine Ansetzung eines konsultativen Referendums zeitgleich mit den Europawahlen im Mai: 85 Prozent der Wähler sprachen sich damals gegen eine Amnestie für Korruptionsvergehen und das Regieren mit Notverordnungen aus. Die erfolgreiche Volksbefragung sei faktisch bereits der erste Wahlgang der Präsidentschaftskür gewesen, sagt der Bukarester Analyst Cristian Pirvulescu.

Obwohl Johannis als haushoher Favorit gesetzt bleibt die Wahl nichtsdestotrotz spannend – denn in Umfragen lag der Präsident zuletzt unter 50 Prozent, die notwendig wären, um die Stichwahl zwischen dem Sieger des ersten Durchgangs und dem Zweitplatzierten ausfallen zu lassen. Vor allem für Ex-Regierungschefin Viorica Dancila als Spitzenkandidatin der PSD steht die politische Zukunft auf dem Spiel: Schafft sie den Einzug in die Stichwahl nicht – eine von der PSD in Nachwendezeiten noch nie erlebte Niederlage –, wird sie für die rumänischen Genossen als Parteichefin nicht länger tragbar sein.

Die rumänische Innenpolitik hatte sich zuletzt auch auf die Europapolitik ausgewirkt. Das Misstrauensvotum gegen Dancilas Regierung am 10. Oktober pfuschte der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Handwerk – denn nach der Ablehnung der ursprünglichen rumänischen Kandidatin, Rovana Plumb, für die Brüsseler Behörde durch das Europaparlament (Plumb war an finanziellen Interessenskonflikten gescheitert) musste die Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker bis November auf Ersatzkandidaten aus Bukarest warten. Ludovic Orban, der neue liberale Premierminister, schickte erst vor wenigen Tagen zwei Vorschläge nach Brüssel: die Europaabgeordneten Adina Valean und Siegfried Muresan, beide – ebenso wie von der Leyen – Mitglieder der Europäischen Volkspartei. Für Rumänien ist in der Kommission das Verkehrsressort vorgesehen, nach von der Leyens Entscheidung für einen der beiden Kandidaten soll die Anhörung im EU-Parlament Mitte November stattfinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.