Koalition

Grüne drängen in die Regierung

Head of Greens Kogler arrives for a meeting in Vienna
Head of Greens Kogler arrives for a meeting in ViennaREUTERS
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Die Grünen entschieden sich am Sonntag einstimmig für Regierungsverhandlungen mit der ÖVP. In der Volkspartei rechnet man mit einer neuen Regierung schon im Dezember.

Wien. Der Erweiterte Bundesvorstand – das zweithöchste Gremium der Grünen – hat am Sonntag einstimmig grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gegeben. „Unsere Hand zur ÖVP ist ausgestreckt“, meinte Parteichef Werner Kogler nach der Sitzung. Er bezeichnete den Schritt als „ein Wagnis“ und als eine „Pionierarbeit“. Eine Koalition ist damit noch keineswegs fix. Die Verhandlungen könnten immer noch scheitern betonte Kogler. Und er machte auch klar: Es wird viele Kompromisse geben müssen. Diese dürfen dann nicht denunziert werden.

Warum die Grünen in die Regierung wollen? Weil man dort mehr erreichen könne als in der Oppositionsrolle. Beim Klimaschutz zum Beispiel. Oder bei der Bekämpfung der Kinderarmut. Man müsse sich auch die Alternative ansehen: „Es macht einen Unterschied, ob eine Mitte-Rechts-Partei mit einer rechtsrechten Partei oder mit den Grünen koaliert“, so Kogler in Anspielung auf die immer noch vorhandene türkis-blaue Option.

1. Wie geht es jetzt mit den Verhandlungen weiter?

Nach den Grünen ist jetzt die ÖVP am Zug. Parteichef Sebastian Kurz hat für Montag, zehn Uhr, eine Stellungnahme angekündigt, er benötigt für Verhandlungen im Gegensatz zu Kogler keinen Beschluss der Gremien. Bei seiner Bestellung vor zwei Jahren hat Kurz sich mit umfassenden Vollmachten ausstatten lassen. Aber natürlich gab es im Lauf des Wochenendes Beratungen mit den Parteigranden. Theoretisch könnte die ÖVP ja auch mit der SPÖ Verhandlungen aufnehmen, das Angebot der Sozialdemokraten dazu gibt es. Und auch die FPÖ ist trotz ihrer Ankündigung, in Opposition zu gehen, weiter eine Option. Es war wohl kein Zufall, dass die niederösterreichische Parteichefin Johanna Mikl-Leitner am Samstag ausdrücklich darauf hingewiesen hat. Doch vorerst wird es jetzt wohl zu Verhandlungen mit den Grünen kommen. Alles andere wäre jetzt eine große Überraschung.

Die Gespräche könnten rasch beginnen. Bereits am Dienstag sollen Verhandlungsteams nominiert werden. Am Ende müssten dann die Gremien in beiden Parteien über die Koalition entscheiden. Bei den Grünen wäre sogar ein eigener Parteitag notwendig: Laut Statuten muss der „Bundeskongress“ über eine Koalition entscheiden. Ein bisschen Warten ist also auch nach Ende der Verhandlungen angesagt, denn der Bundeskongress mit seinen 188 Delegierten muss mit einer Vorlauffrist von mindestens einer Woche einberufen werden.

2. Wie schnell kann es jetzt zu einer Regierung kommen?

Wie man aus ÖVP-Kreisen hört, haben die Sondierungsgespräche einen guten Verlauf genommen. Derart, dass die Partei mit einer neuen Regierung noch vor Weihnachten rechnet – möglicherweise sogar noch früher. Es gebe „Pragmatismus auf beiden Seiten“. Möglicherweise könnte es sich aber auch noch bei einigen Punkten spießen. Kogler ist da nicht ganz so optimistisch, will sich aber nicht auf einen genauen Zeitplan festlegen. So schnell wie möglich wolle man die Verhandlungen führen, sich aber auch so lange wie nötig Zeit nehmen.

3. Woran kann Türkis-Grün jetzt noch scheitern?

Die inhaltlichen Knackpunkte sind bekannt: Die Grünen pochen auf eine ernsthafte Wende in puncto Klimaschutz, inklusive einer Ökologisierung des Steuersystems. Ob das mit den Vorstellungen des Wirtschaftsflügels in der ÖVP kompatibel ist, wird sich noch weisen. Schließlich steht für die ÖVP nicht der Klimawandel an der ersten Stelle der Agenda, sondern der Kampf gegen die drohende Konjunkturflaute. Der zweite Knackpunkt ist die Migrationspolitik, in der die beiden Parteien sehr unterschiedliche Vorstellungen und Schwerpunkte haben. Auch im Sozialbereich wird es nicht ganz einfach, Kompromisse zu finden.

Ob sich das ausgeht? Im Erweiterten Bundesvorstand sind die Verhandlungen zwar einstimmig beschlossen worden, es gab aber durchaus kritische Stimmen, was die Erfolgsaussichten betrifft. Der Abgeordnete Michel Reimon, der sich in den vergangenen Tagen über mangelnde Verschwiegenheit der ÖVP beschwert hatte, sah die Erfolgsaussichten bei etwas über 50 Prozent. Und die Wiener Parteichefin Brigitte Hebein, die an den Sondierungen teilgenommen hat, meinte: „Es wird hart“. Kogler selbst erinnerte an die Regierungsverhandlungen im Jahr 2003, an denen er selbst schon beteiligt war. Damals habe die ÖVP eine schwarz-blaue Politik mit grünem Mascherl machen wollen, daher sei man damals aufgestanden. Und das werde man nun auch wieder tun, sollte sich das Geschehen wiederholen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2019)

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