Nach 13 Jahren

Boliviens Präsident Evo Morales tritt zurück

In einer Fernsehansprache verkündete Evo Morales seinen Rücktritt (Screenshot).
In einer Fernsehansprache verkündete Evo Morales seinen Rücktritt (Screenshot).APA/AFP/Bolivia TV/HO
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Nach wochenlangen Demonstrationen beugte sich Boliviens erster indogener Präsident dem Druck der Bevölkerung. In der Nacht kam es zu schweren Ausschreitungen in der Hauptstadt La Paz.

Nach landesweiten Massenprotesten gegen seine umstrittene Wiederwahl hat Boliviens Staatschef Evo Morales seinen Rücktritt verkündet. "Ich verzichte auf mein Präsidentenamt", kündigte Morales Sonntag im Fernsehen an. Angesichts zunehmender Gewalt bei den Protesten, einer Serie von Rücktritten im eigenen Lager und massiven Vorwürfen von Wahlbetrug blieb Morales nach 13 Jahren an der Macht nur, sein Amt niederzulegen.

"Unser großer Wunsch ist es, dass der soziale Frieden wiederkehrt", sagte der 60-Jährige am Sonntag in einer Fernsehansprache. Er trete zurück, um die Gewalt der Opposition zu stoppen. Die Welt solle erfahren, wie sich Oligarchen gegen die Demokratie verschworen, sagte er. Der frühere Koka-Bauer hatte zuvor von einem Putschversuch gegen sich gesprochen.

APA/AFP/AIZAR RALDES

Nach der Ankündigung des 60-jährigen Dauer-Präsidenten strömten tausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt La Paz, schwenkten die bolivianische Fahne und feierten den Abgang von Morales mit Böllern. Doch auch zu gewaltvollen Szenen kam es in der Nacht: In La Paz und im nahegelegenen El Alto kam es zu Ausschreitungen. Die Protestierenden setzten Busse sowie die Häuser mehrerer Prominenter in Brand. Die Vereinten Nationen mahnten alle Beteiligten, auf Gewalt zu verzichten.

Einen Tag nach seinem Rücktritt nahm Morales dann die Oppositionsführer Carlos Mesa und Luis Fernando Camacho in die Verantwortung. "Mesa und Camacho, Unterdrücker und Verschwörer, werden als Rassisten und Putschisten in die Geschichte eingehen. Sie sollten ihre Verantwortung wahrnehmen und das Land befrieden sowie die politische Stabilität und das friedliche Zusammenleben unseres Volkes garantieren", schrieb Morales am Montag auf Twitter.

"Die Welt und die patriotischen Bolivianer verurteilen den Putsch." Auch seine linken Verbündeten in Venezuela und Kuba sprachen von einem Putsch. "Ich bin sehr dankbar für die Solidarität des Volkes, der Brüder Boliviens und der Welt, die uns mit Vorschlägen und Anerkennung Kraft und Energie geben", schrieb Morales in einem weiteren Tweet. "Das rührt mich zu Tränen. Sie haben mich nie verlassen, und ich werde sie nie verlassen."

Berichte über schwere Wahlmanipulationen

Im Oktober war Morales für eine vierte Amtszeit angetreten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur des Präsidenten eigentlich nicht zugelassen, das Verfassungsgericht gestand Morales 2017 aber das Recht auf eine weitere Amtszeit zu. Die Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober war hochumstritten, das offizielle Ergebnis wurde von der Opposition wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs nicht anerkannt.

Bei den wochenlangen Protesten infolge der Präsidentschaftswahl waren drei Menschen ums Leben gekommen, mehr als 380 weitere wurden verletzt.

REUTERS

Morales kündigte als Reaktion auf die Demonstrationen Neuwahlen an, zudem sollten alle Mitglieder des Obersten Wahlgerichts ausgetauscht werden. Er machte allerdings weder Angaben zum Zeitpunkt der Wahlen noch dazu, ob er selbst wieder antreten wolle.

Doch dann überstürzten sich die Ereignisse: Zwei Minister und der Parlamentspräsident traten zurück, nicht zuletzt weil es bei den Protesten zu Gewalttätigkeiten gegen Familienangehörige der Politiker kam. Dann wandte sich auch noch die Armee- und Polizeiführung von Morales ab. Der Präsident solle zurücktreten, um eine "Befriedung" des durch Massenproteste erschütterten Landes und den "Erhalt der Stabilität" zu ermöglichen, sagte Armeechef Williams Kaliman.

Kritik an autoritärem Gehabe

Schließlich verkündete Morales seinen Rücktritt - von seiner Heimatregion Cochabamba in Zentralbolivien aus. Er war der erste indigene Präsident eines lateinamerikanischen Landes. In Bolivien, einem der ärmsten Länder der Region, in dem 62 Prozent der Bevölkerung indigener Abstammung sind, war Morales zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Unterstützer und Förderer der unteren Gesellschaftsschichten hoch angesehen.

Zwar floriert Bolivien - das Armenhaus Südamerikas - unter dem Sozialisten wirtschaftlich, doch sein zunehmend selbstherrliches und autoritäres Gehabe stieß immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.

(APA)

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