Proteste

Demonstrant angeschossen: Neue Gewaltwelle in Hongkong

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Zum dritten Mal seit Beginn der Proteste im Juni schießt die Polizei auf Demonstranten. Allein am Montag wurden mehr als 60 Menschen verletzt. Am Freitag war ein 22-Jähriger gestorben, nachdem er während einer Demonstration von einem Parkhaus gestürzt war.

Fünf Monate nach Beginn der Anti-Regierungs-Proteste in Hongkong nimmt die Gewalt kein Ende: Nachdem am Montagmorgen erneut ein Demonstrant von einem Polizisten angeschossen und in den Oberkörper getroffen worden war, spielten sich in der chinesischen Sonderverwaltungsregion teils chaotische Szenen ab. Der 21-Jährige befand sich nach Angaben der Krankenhaus-Behörde in einem kritischen Zustand.

Auf einem in Sozialen Netzwerken geteilten Video war zu sehen, wie ein Polizist zunächst aus nächster Nähe seine Waffe auf einen Demonstranten richtete. Es kam zu einem Handgemenge. Als von der Seite ein weiterer Demonstranten auf den Beamten zukam, schoss er auf diesen und feuerte zwei weitere Schüsse in Richtung anderer Demonstranten ab. Seit dem Ausbruch der Proteste im Juni war es das dritte Mal, dass ein Demonstrant von der Polizei angeschossen wurde.

Die Polizei bestätigte den Vorfall und gab an, dass Beamte auch an zwei weiteren Orten in der Stadt am Montag ihre Dienstwaffen gezogen hätten. Grund dafür seien die illegalen Taten der "Randalierer" gewesen.

Kampfansage Lams an die Demonstranten

Wenige Stunden nach der Eskalation äußerte sich auf Regierungschefin Carrie Lam. Wer hoffe, dass die Regierung sich dem Druck beuge, dem sei gesagt, dass dies nicht passieren werde, erklärte sie am Montag. Die Gewalt gehe inzwischen weit über die Forderungen nach Demokratie hinaus. Die Demonstranten seien nun die Feinde der Bevölkerung.

Sowohl der angeschossene Demonstrant als auch ein Mann, der mit Benzin übergossen und angezündet worden war, befanden sich am Montag nach Polizeiangaben in kritischem Zustand. Allein am Montag wurden nach Angaben Lams mehr als 60 Menschen verletzt.

Mit ihren Blockade-Aktionen am Montag hatten die Demonstranten zunächst an den Tod eines Studenten erinnern wollen. Der 22-Jährige war am Freitag an den Folgen seiner schweren Verletzungen gestorben, nachdem er vergangene Woche am Rande von Protesten von einem Parkhaus gestürzt war. Durch die Schüsse der Polizei schaukelte sich die Lage am Montag dann weiter hoch. Radikale Demonstranten blockierten Straßen, legten Feuer und warfen Pflastersteine. Die Polizei setzte Gummigeschoße und Tränengas ein.

Joshua Wong fordert Ende der Polizeigewalt

Joshua Wong, eines der bekanntesten Gesichter der Demokratie-Bewegung, forderte ein Ende der Polizeigewalt. "Nicht wir haben die Gewalt gesteigert, sondern die einzige Seite, die eskaliert, ist die Polizei", sagte Wong dem britischen Sender BBC. "Aus Hongkong wird in einen Polizeistaat gemacht."

Wong appellierte an den US-Senat, einen Gesetzentwurf im US-Abgeordnetenhaus zur Unterstützung der Demokratiebewegung in Hongkong anzunehmen. Der bekannte Aktivist forderte die internationale Gemeinschaft auf, nicht mehr wegzuschauen.

Man-Kei Tam, Direktor von Amnesty International Hongkong sprach laut einer Aussendung der Menschenrechtsorganisation angesichts der Polizeischüsse von einem "rücksichtslosen Gebrauch von Gewalt". Er berichtete zudem, dass ein Polizist auf einem Motorrad mit hoher Geschwindigkeit in eine Gruppe Demonstranten gefahren sei. "Das sind keine polizeilichen Maßnahmen - diese Beamten sind außer Kontrolle und haben Rachegelüste", erklärte Man-Kei Tam und forderte eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Die Behörden müssten ihre Herangehensweise, eine Deeskalation zur erreichen, überdenken.

Peking ruft zu schärferem Sicherheitsgesetz auf

Die chinesische Regierung hatte am Samstag zu schärferen Sicherheitsgesetzen in Hongkong aufgerufen. Zu milde Gesetze seien für die seit Monaten andauernden und zunehmend gewaltsamen Massenproteste verantwortlich, sagte der Leiter des Verbindungsbüros der chinesischen Regierung für Hongkong und Macau, Zhang Xiaoming. Die Gesetzgebung in Hongkong müsse "patriotisch" und loyal gegenüber der Zentralregierung in Peking sein, forderte er. Gleichzeitig räumte er ein, dass auch die hohen Lebenshaltungskosten und die sich vergrößernde Kluft zwischen Arm und Reich die Proteste ausgelöst hätten.

Das bei der Rückübergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong an China 1997 verankerte Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" garantiert der Bevölkerung in der Sonderverwaltungszone auf 50 Jahre Freiheiten, die auf dem chinesischen Festland nicht gewährt werden.

Gegen die Beschneidung dieser Freiheiten und den wachsenden Einfluss der Zentralregierung richten sich die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste in Hongkong. Ausgelöst worden waren sie zunächst durch ein Gesetzesvorhaben, das erstmals auch Auslieferungen nach Festland-China ermöglicht hätte. Inzwischen fordern die Demonstranten auch die Absetzung der pro-chinesischen Führung in der Finanzmetropole und freie Wahlen.

Bei den bevorstehenden Bezirkswahlen in zwei Wochen zeichnen sich massive Verluste der pro-chinesischen Kräfte ab. Demokratie-Aktivisten fürchten jedoch, dass die Wahlen wegen der gewaltsamen Proteste verschoben werden könnten.

(APA/Reuters/AFP)

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