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ÖVP sagt Ja zu Koalitions­verhandlungen mit Grünen

Sebastian Kurz muss einen neuen Weg einschlagen.
Sebastian Kurz muss einen neuen Weg einschlagen.APA/AFP/JOE KLAMAR
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ÖVP-Chef Sebastian Kurz teilte mit, dass sich seine Partei für Koalitionsverhandlungen mit den Grünen entschieden hat - in Einstimmigkeit mit den Länder- und Bündechefs. Und: „Es kann auch länger dauern.“

Nach dem einstimmigen Ja der Grünen zu Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei am Sonntag war nun Sebastian Kurz am Zug: Der ÖVP-Chef, der mit seiner Partei im September Wahlsieger bei der Nationalratswahl geworden war, teilte am Montagvormittag mit, dass auch die Türkisen mit den Grünen über eine Koalition verhandeln wollen.

Kurz sagte bei einer Pressekonferenz, man lade die Vertreter der Grünen nun ein, in Koalitionsgespräche einzutreten. Er habe bereits den Bundespräsidenten, Alexander Van der Bellen, und Grünen-Chef Werner Kogler über die ÖVP-Entscheidung informiert. Diese sei „einstimmig“ gefallen, wie Kurz meinte: Er hatte am Sonntag mit den Länderchefs der Volkspartei gesprochen, am Montagvormittag noch mit den Obleuten der ÖVP-Bünde. Die Beratungen seien „intensiv“ verlaufen. Dies sei ein „Zwischenschritt zur Regierungsbildung“.

FPÖ fordert ÖVP zur Abkehr von Grünen auf

Einen genauen Zeitplan präsentierte Kurz am Montag noch nicht; er trifft allerdings am Dienstag mit Kogler als Auftakt der Koalitionsverhandlungen zusammen. Kurz meinte, dass im Fall des Falles - also sollten die Türkisen und die Grünen kein Abkommen bewerkstelligen können - der Regierungsbildungsprozess „vielleicht ein noch längerer“ werden könne. „Es kann auch länger dauern“, sagte er auf mit Verweis auf die zwei Monate, die die Regierungsbildung zwischen ÖVP und FPÖ 2017 gedauert hatte. Parallelverhandlungen solle es keine geben.

Dass die ÖVP in Gespräche über eine mögliche gemeinsame Regierung mit den Grünen eintritt, war gemeinhin erwartet worden, auch wenn die SPÖ Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen signalisiert hatte. Die Neos sind zu klein für eine Zweierkoalition mit der ÖVP; sie drängten am Montag auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger nannte die Entscheidung der Volkspartei „erfreulich“, während SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner am Montag sagte, sie gehe davon aus, dass die türkis-grünen Verhandlungen einen positiven Abschluss finden würden. Ob ihre Partei im Fall eines Scheiterns zur Verfügung stehe, ließ sie offen.

Die FPÖ, mit der die ÖVP bis zum Ibiza-Skandal regiert hatte, nahm sich schon vor den Sondierungsgesprächen aus dem Spiel - sie positionierte sich als eine Art letzter Ausweg für die Türkisen, sollten diese mit den anderen Parteien auf keinen grünen Zweig kommen. Sie meldete sich auch nach Kurz' Stellungnahme prompt - und forderte den alten Regierungspartner zur Abkehr von den Grünen auf.

Kompromisse und „Pionierarbeit“ 

Acht Sondierungsrunden gab es im Oktober und November bereits zwischen den Grünen und der Volkspartei. Kurz sagte am Montag dazu, dass die Sondierungen länger gedauert hätten, da seine Partei und die Grünen teils „sehr, sehr unterschiedlich“ im Programm seien - und weil die Grünen auf Bundesebene noch nie Regierungsverantwortung hatten. Ein „In-die-Tiefe-Gehen“, wie Kurz meinte, sei deswegen beiden Seiten „notwendig erschienen“.

In den Sondierungsgesprächen legten ÖVP und Grüne fünf Themenfelder fest, die sie nun beackern möchten: Wirtschaft, Klimaschutz, Migration und Integration, Bildung sowie Transparenz. Themen, in denen die zwei Parteien teils höchst unterschiedliche Positionen haben - die Koalitionsverhandlungen wären also auch mit der Suche nach Kompromissen verbunden. Kurz sagte dahingehend, die Grünen hätten starke Positionen im Umwelt- und Klimabereich, mit denen sich die ÖVP nicht leichttue, für die die Grünen aber gewählt worden seien; auf der anderen Seite sei dies auch bei der ÖVP so, etwa in Fragen der Migration- und der Sicherheitspolitik. „Sollten wir eine Vereinbarung mit den Grünen zustande bringen, wird da auf jeden Fall ein Stück weit an Kreativität notwendig sein müssen“, sagte Kurz.

Kogler hatte wohl auch deshalb am Sonntag von „einem Wagnis“ gesprochen, das die Regierungsverhandlungen bedeuteten. Die Grünen streckten der ÖVP am Sonntag dennoch recht bestimmt die Hand hin: mit einem einstimmigen Beschluss, in Koalitionsgespräche zu treten. Sie sehen darin „Pionierarbeit“.

Schon am Sonntag Gespräch mit Bundespräsident

Er meldete sich auch am Montagnachmittag nochmals zu Wort: „Ja, es wird Regierungsverhandlungen zwischen der Volkspartei und den Grünen geben“, sagte er in einer Videobotschaft. Den Wünschen vieler Menschen, die nächste Regierung möge fünf Jahre halten, pflichtete er bei. Er erklärte, dass er mit Kurz und Van der Bellen am Sonntag und Montag die kommende Regierungsbildung besprochen habe. Die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen müsse man wagen, und zwar „für alle, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind“, so Kogler.

Eine Koalition ist damit freilich alles andere als fix. Das betonte auch Kurz während der Pressekonferenz. Neben dem inhaltlichen Zueinanderfinden stünde einer türkis-grünen Zusammenarbeit eventuell auch die Zustimmung aus den eigenen Reihen entgegen. Die Grünen müssten über die Regierungsbeteiligung bei einem eigens einberufenen Bundeskongress abstimmen lassen. (Red./APA)

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