Debatte: Bondy bekrittelt Broder

„Unzulässig“: Reich-Ranicki-Laudatio mit Gaza-Vergleich.

Am 6. Juni erhielt Marcel Reich-Ranicki kurz nach seinem 90.Geburtstag von der Ludwig-Börne-Stiftung eine eigens kreierte Medaille – den Börne-Preis hatte er schon 1995 bekommen. Bei der Vergabe der Börne-Medaille schien alles eitel Wonne: Ein Brecht-Ständchen von Harald Schmidt, Lobreden von Thomas Gottschalk und Frank Schirrmacher. Doch ein anderer früherer Börne-Preisträger, der Publizist Henryk M. Broder, erregte mit seiner Laudation Aufsehen.

Dabei hatte er ganz zuckerbäckrig begonnen: „Wir, die Konditoren des Kulturbetriebs, die wir heute unseren Oberkonditor feiern...“ Dann verblüffte Broder, indem er Reich-Ranickis Spezialität übte: Kritik. Broder malte sich aus, wie der Jubilar den Feierabend verreiße. Und da mit seinem Geburtstag offenbar „noch die letzte Feindschaft gegen ihn in Freundschaft umgeschlagen sei“, sollte er nun zu den politischen Konflikten der Gegenwart Stellung beziehen.

„Die größten Katastrophen liegen noch vor uns“, warnte Broder. In den eskalierenden Konflikten zwischen Israel und einigen arabischen Staaten sei das Fortwirken des Antisemitismus spürbar. Nach Vergleichen zwischen der Situation in Gaza und dem Warschauer Ghetto sollte sich Reich-Ranicki doch empören und sagen: „Verglichen mit dem Warschauer Ghetto ist Gaza ein Club Med.“ Die kontroverse Rede wurde am Montag in der „FAZ“ abgedruckt, anderntags übte Festwochen-Intendant Luc Bondy in einem Leserbrief harte Kritik an Broders Argumentation, wiewohl er im Prinzip viele Ansichten teile. „Ein Antizionist, der uns mit den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs vergleicht“, sei aber so unerträglich wie „ein Israeli, der unsere Vergangenheit als ewige Rechtfertigung nimmt“. Schlusssatz: „Ihre Bezeichnung ,Club Méditeranée‘ für Gaza im Vergleich zum Warschauer Ghetto ist absolut abgeschmackt und unzulässig.“ hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2010)

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