Interview

Gesetzte Entlastungsschritte müssen weitergehen

(c) Luca Fasching
  • Drucken

Für IV-Vorarlberg-Präsident Martin Ohneberg ist ein konjunktureller Dämpfer in vielen Branchen spürbar. Zwar schlagen sich die Betriebe weiter hervorragend, dennoch brauche es merkliche Entlastungen.

Herr Präsident, die Industrie ist das Herzstück der Vorarlberger Wirtschaft. Was muss passieren, damit das Herz weiterhin kräftig schlägt?

Martin Ohneberg: In erster Linie muss die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts aufrechterhalten bleiben, dann wird das Herz kräftig weiterschlagen. Die Vorarlberger Industrie ist sehr exportorientiert, daher stehen wir in einem besonders starken internationalen Wettbewerb. Es geht also darum, vor Ort wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen und qualifizierte Arbeitskräfte zu haben, und dann brauchen wir einen guten Zugang zu den internationalen Märkten. Darum ist uns ein fairer Freihandel so wichtig.

Die vergangenen Jahre entwickelte sich Vorarlberg beim Wirtschaftswachstum immer über dem Österreich-Schnitt. Wie schaut es für die nächsten ein, zwei Jahre aus? Geht es weiter gut? Oder wird uns Deutschland, wo einige schon von Rezession reden, mit hinunterziehen?

Ja, die vergangenen Jahre waren sehr gut, und die Industrie hat rund 70 Prozent der Konjunktur getragen, das unterstreicht die Bedeutung der Industrie. Seit diesem Jahr ist bei den Betrieben fast quer über alle Branchen erstmals ein Dämpfer bei der Konjunktur zu erkennen, das hängt natürlich mit den internationalen Märkten und Unsicherheiten zusammen. Deutschland spielt nach wie vor eine große – aber nicht mehr die entscheidende – Rolle für uns. Die Betriebe und ihre Mitarbeiter schlagen sich weiter hervorragend, eine Rezession ist nach aktuellem Stand noch nicht zu erwarten.

Wie müssten wir gegensteuern? Welche Maßnahmen würden der Wirtschaft helfen?

Helfen würden Konjunkturimpulse und Entlastungsschritte auf Bundes- und Landesebene. Auf Bundesebene heißt das vor allem, den Faktor Arbeit bei Mitarbeitern und Unternehmen weiter zu entlasten, in den Forschungs- und Technologiestandort zu investieren und ein klares Bekenntnis zu einem fairen Freihandel abzugeben. Auf Landesebene stehen wichtige Infrastruktur- und Investitionsentscheidungen der öffentlichen Hand und der Betriebe an. Hier brauchen wir einen wirtschaftsfreundlichen Zugang unserer neuen Landesregierung. Daneben gilt es wichtige Initiativen – wie den Markenbildungsprozess, den Aufbau eines Innovationsökosystems, ein größeres Bild bei der Raumplanung, Hochschulkooperationen und andere Bildungsinitiativen – mutig umzusetzen.

Erwarten Sie seitens der Bundespolitik hier große Würfe und Unterstützung?

Ja, die Erwartungshaltung gibt es. Die vorherige Bundesregierung hat in den letzten eineinhalb Jahren erste wichtige Entlastungsschritte gesetzt und erste Reformen auf den Weg gebracht. Da gilt es anzuknüpfen. Die arbeitende Bevölkerung und die Leistungsträger im Land müssen weiter entlastet werden.

Für jeden dritten Arbeitsplatz in Vorarlberg ist die Industrie verantwortlich. Rechnet man von der niedrigen Arbeitslosenrate die schwer Vermittelbaren weg, herrscht aus Sicht der Industrie fast Vollbeschäftigung. Wo sollen die benötigten Fachkräfte, vor allem die Techniker und IT-Kräfte für die Wirtschaft, herkommen?

Vor dieser Herausforderung stehen viele erfolgreiche Regionen. Die Lösung ist mehrstufig. Wir müssen selbst ausbilden, das Potenzial nicht berufstätiger Frauen ausschöpfen, für Expats und Grenzgänger attraktiver werden, und am Ende des Tages brauchen wir eine qualifizierte Zuwanderung. Mit der Markenpositionierung des Landes Vorarlberg und dem Ziel „2035 ist Vorarlberg der chancenreichste Lebensraum für Kinder“ wurde etwas angestoßen, das uns nachhaltig helfen kann. Mit unserem großen Zukunftsbild „Big Picture“ haben wir aufgezeigt, wie wir die Kombination aus dynamischem Wirtschaftsraum und attraktivem Lebensraum noch besser ausnutzen können.

Zum Schluss noch einmal Richtung Politik: Vorarlberg hatte fünf Jahre einen neuen, manche sagen modernen, Schwarz-Grünen-Kurs. Sollte das ein Vorbild für den Bund sein, dieses Wagnis einzugehen? Oder gibt es eine andere Wunschkoalition für die IV und ihre Betriebe, damit bei der künftigen Bundesregierung für die Wirtschaft schneller etwas weitergeht?

Industriepolitik sollte immer funktionieren, unabhängig von der Parteifarbe und Regierungskoalition. In Vorarlberg war die Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Grün solide. Entscheidend sind in Zukunft eine noch mutigere Herangehensweise, Leadership und Umsetzungskompetenz im Sinn der Menschen im Land.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2019)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.