Interview

Metzler: „Frauen für die technischen Berufe begeistern“

(c) Luca Fasching
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Wirtschaftskammer-Vorarlberg-Präsident Hans Peter Metzler fordert Entlastungsmaßnahmen für die Betriebe - konkret: Steuern hinunter. Bildungssystem stärken. Bürokratie abbauen.

Herr Präsident, Vorarlberg hat gerade gewählt – und den vor fünf Jahren eingeschlagenen Kurs bestätigt. Was wünschen Sie sich für die nächsten fünf Jahre?

Hans Peter Metzler: Die Gewissheit, dass die Politik auch in schwieriger werdenden Zeiten eine verlässliche Partnerin ist, die mutige und verbindliche Entscheidungen trifft. Zuverlässigkeit ist eine entscheidende Komponente. Darauf konnte die Wirtschaft in den vergangenen Jahren stets bauen. Ich bin zuversichtlich, dass der solide Kurs fortgesetzt wird.

Für Wünsche an den Bund und notwendige Reformen muss man ja leider noch einige Zeit warten. Wie lang kann sich Österreich die Verwaltung des Stillstands noch leisten?

Ein von globalen Entwicklungen abhängiges Land wie Österreich darf niemals stillstehen. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt, was wir uns aktuell keinesfalls leisten können. Um uns herum passieren große Veränderungen, große Transformationen. Dieses Geschehen gilt es wachsam zu beobachten, gleichzeitig sollten wir aber keinesfalls unterschätzen, was wir selbst vor Ort bewegen können, wenn wir als Wirtschaftsstandort und ganz bewusst auch als Gesellschaft zusammenhalten.

Worin sehen Sie die drei größten Probleme bzw. Herausforderungen für die Wirtschaft?

Die Betriebe brauchen dringend Entlastungsmaßnahmen, wenn sie sich gegen den aufkommenden konjunkturellen Gegenwind stemmen und Beschäftigung schaffen sollen. Auf den Punkt gebracht: Steuern hinunter. Bildungssystem stärken. Bürokratie abbauen. Diese drei Forderungen haben für unsere Unternehmen oberste Priorität. Was wir jetzt brauchen, ist eine Politik mit Weitblick, die standortorientiert handelt und diese Forderungen auch aufgreift.

Welche Lösungsvorschläge hat die WKV? Vor allem: Wie begegnet man dem eklatanten Fachkräftemangel?

Es gibt einen starken Schulterschluss von Land, Sozialpartnern, dem AMS und der Wirtschaft. Die Konzentration liegt auf drei Schwerpunkten – die duale Ausbildung weiter ausbauen, digitale Kompetenzen stärken und vermehrt Frauen für technische Berufe begeistern. Es braucht zudem eine qualifizierte Zuwanderung. Als Wirtschaftskammer arbeiten wir konsequent auch an besseren Schulkonzepten und einer umfassenderen Berufsorientierung sowie einer zeitgemäßen Kinderbetreuung.


Laut Pisa-Studie schneiden Österreichs Schüler in den wichtigen Fächern schlecht ab – viele sind somit für den Arbeitsmarkt untauglich. Andererseits fahren wir bei Berufsolympiaden und Lehrlingsweltmeisterschaften ständig Siege ein. Was läuft in Österreich schief?

Am Ende der Pflichtschule fehlt es zu vielen Jugendlichen immer noch an der Ausbildungsreife, und es herrscht zu wenig Wertschätzung für das Thema Bildung an sich. Unser Schulsystem ist zudem noch zu unflexibel, wenn es um die künftigen Herausforderungen geht. Die duale Ausbildung ist hier viel weiter. Um heute die Fachkräfte von morgen auszubilden, benötigen wir zudem eine klare Strategie. In unserem Strategieprozess „Dis.Kurs Zukunft“ haben wir viele Projekte auf die Beine gestellt, die uns zeigen, dass wir nicht immer auf Wien warten müssen, um etwas weiterzubringen.

Worin liegt besonders die Stärke der Vorarlberger Wirtschaft?

Zunächst im klaren Bekenntnis der vorwiegend familiengeführten Unternehmerschaft zum Standort Vorarlberg. Die strategisch günstige Lage bleibt einer unserer Vorteile. Unser Wirtschaftsstandort profitiert von einem gesunden Mix aus einem leistungsfähigen industriellen Kern, einem wettbewerbsfähigen Gewerbe und Handwerk und einem innovativen und kreativen Dienstleistungssektor. Vorarlberg ist überschaubar, mit schnellen, kurzen Wegen und einem gewissen Pragmatismus ausgestattet, der uns hilfreich ist. Gut ausgebildete Fachkräfte, ein großer Zusammenhalt zwischen Mitarbeitern und Unternehmern sowie eine engagierte Sozialpartnerschaft, die miteinander statt gegeneinander agiert, tun das Ihre dazu.

Vorarlberg liegt mit dem Bodenseeraum in einer der wettbewerbintensivsten Regionen. Wie gut steht die Vorarlberger Wirtschaft im Vergleich zu Deutschland, das Richtung Rezession geht, und der Schweiz da?

Noch geht es der Wirtschaft in Vorarlberg gut. Der Gegenwind wird aber stärker. Der konjunkturelle Zenit ist nicht nur bei unserem Nachbarn Deutschland überschritten, sondern auch unsere Betriebe stellen sich auf schlechtere Zeiten ein. Auch wenn die Unternehmen bisherige Krisen gut gemeistert haben, ist die Politik aufgerufen, rasch gegenzusteuern. Denn nichts zu tun wäre Gift für den Lebens- und Wirtschaftsstandort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2019)


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