Proteste in Hongkong eskalieren nach erneuten Schüssen der Polizei.
Hongkong. Nach einer erneuten dramatischen Gewalteskalation in Hongkong verschärft sich der Ton zwischen der Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone und den Demonstranten. Regierungschefin Carrie Lam sprach am Montag eine unverhohlene Drohung aus, als sie betonte, die Regierung werde sich dem Druck nicht beugen. Die Gewalt gehe inzwischen weit über die Forderungen nach Demokratie hinaus. Die Demonstranten seien nun „Feinde der Bevölkerung“.
Nur wenige Stunden zuvor hatte es auf Hongkongs Straßen chaotische Szenen gegeben. Ausgelöst wurden die Ausschreitungen durch den erneuten Einsatz scharfer Munition – zum bereits dritten Mal. Ein Onlinevideo zeigte, wie ein Polizeibeamter seine Waffe zieht und versucht, einen Mann an einer zuvor von Demonstranten blockierten Straßenkreuzung festzunehmen. Als sich ein anderer Demonstrant nähert, schießt der Polizist ihm in die Brust. Sekunden später gibt der Polizist zwei weitere Schüsse ab, und ein weiterer Demonstrant geht zu Boden.
Mehr als 60 Verletzte
Beide Männer sollen schwer verwundet sein. Lam zufolge wurden allein am Montag mehr als 60 Menschen verletzt. An zahlreichen Orten setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten ein, unter anderem auf Universitätsgelände sowie in Vierteln nahe dem Hongkonger Hafen. In sozialen Medien zirkulierte ein Video, das einen Polizisten zeigt, der mehrmals versucht, sein Motorrad in eine Menschenmenge zu lenken.
Joshua Wong, eines der bekanntesten Gesichter der Demokratiebewegung, forderte ein Ende der Polizeigewalt. „Nicht wir haben die Gewalt eskaliert, sondern die einzige Seite, die eskaliert, ist die Polizei“, sagte er der britischen BBC. „Aus Hongkong wird ein Polizeistaat gemacht.“
Die Polizei wiederum beschuldigte die Demonstranten, einen Mann mit Benzin übergossen und angezündet zu haben. Auch davon kursierte ein Onlinevideo. Die Proteste hatten sich nach dem Tod eines Studenten am Freitag wieder verstärkt. (APA/Reuters/AFP)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2019)