Kehrtwende bei Osram: Der Vorstand des kriselnden deutschen Lichtkonzerns empfiehlt die Übernahme durch das steirische Unternehmen ams.
Die Führung des deutschen Lichttechnik-Konzerns Osram sträubt sich nicht mehr gegen eine Übernahme durch den steirischen Chip- und Sensorhersteller ams. Nach Zusagen der Österreicher empfehlen Vorstand und Aufsichtsrat den Aktionären nun, das 4,6 Milliarden Euro schwere Kaufangebot anzunehmen.
Die gebotenen 41 Euro je Aktie seien angemessen. "Am wichtigsten ist, dass die Mitarbeiter an deutschen Standorten bis Ende 2022 vor fusionsbedingten Kündigungen geschützt sind", sagte Vorstandschef Olaf Berlien vor der Bilanzvorlage am Dienstag in München. Er hatte bereits vergangene Woche positive Signale an ams gesandt.
Die ehemalige Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer soll sicherstellen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Die Arbeitnehmervertreter halten aber an dem Widerstand gegen ams fest. Die Entscheidung im Aufsichtsrat fiel mit sieben zu fünf Stimmen, nur ein leitender Mitarbeiter schloss sich der Kapitalseite an.
In einem Sondervotum zum Übernahmeangebot bezeichnen die Betriebsräte und Gewerkschafter im Aufsichtsrat das Vorgehen von ams als "unrechtmäßig". Der Konzernbetriebsrat hat sogar Beschwerde gegen die Genehmigung des Übernahmeofferts durch die Finanzaufsicht BaFin eingereicht, weil ams eine Lücke im Gesetz genutzt hat, um eine zwölfmonatige Sperrfrist vor einem neuen Anlauf zu umgehen. Ob der Betriebsrat überhaupt klagen darf, ist aber unklar. Die Verbesserungen gegenüber dem ersten Angebot seien aus Sicht der Arbeitnehmer "geringfügig", heißt es in dem Sondervotum. Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen sei wertlos, eine Sicherheit für die Belegschaft gebe es nicht.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/19 (per Ende September) hat Osram die Belegschaft bereits um 2700 auf 23.500 reduziert. Weitere Streichungen dürften folgen, wie der Traditionskonzern ankündigte. "Aufgrund der konjunkturellen Entwicklung und des fortschreitenden Technologiewandels sind weitere strukturelle Anpassungen nötig. Dazu finden derzeit Gespräche mit den Gremien statt." Die Sparmaßnahmen beim Personal sollen rund 60 Millionen Euro kosten. Das "Handelsblatt" hatte berichtet, Osram wolle eine höhere dreistellige Zahl von Arbeitsplätzen streichen. Die Rede ist von 800 Stellen.
Umsatzschwund und hohe Verluste
Das Unternehmen steckt in der Krise. 2018/19 rutschte Osram mit 343 Millionen Euro in die roten Zahlen, unter anderem wegen einer Abschreibung von 171 Millionen Euro auf den Firmenwert des Autozuliefer-Gemeinschaftsunternehmens mit Continental. Ein Jahr zuvor stand noch ein Gewinn von 188 Millionen Euro zu Buche. Die Dividende fällt aus. Der Umsatz brach wie befürchtet um 13 Prozent auf 3,46 Milliarden Euro ein, die bereinigte operative Umsatzrendite (EBITDA-Marge) sank auf 8,9 von 16,4 Prozent. Im neuen Geschäftsjahr soll der Umsatz drei Prozent um das Vorjahresniveau pendeln, die EBITDA-Marge zwischen neun und elf Prozent liegen. Bis Osram seine Mittelfrist-Ziele erreiche, werde es zwei Jahre länger dauern als bisher geplant.
ams erwartet hohe Synergien
Der steirische Chip- und Sensorenhersteller ams legt allen Osram-Aktionären nahe, das Angebot anzunehmen, und ist zuversichtlich, bis 5. Dezember die Mindestannahmeschwelle von 55 Prozent zu erreichen. Erfreut ist man darüber, dass Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats von Osram angekündigt haben, ihre Aktien im Rahmen des Angebots einzureichen. ams-Chef Alexander Everke geht davon aus, dass die vorgesehenen Kosten- und Umsatzsynergien aus dem Zusammenschluss jährlich wenigstens 300 Millionen Euro auf Vorsteuerbasis ausmachen.
ams und Osram haben Zusammenschlussvereinbarung (Business Combination Agreement, "BCA") abgeschlossen. Sie beinhaltet Schutzklauseln für Osram-Beschäftigte mit dem Ziel der Sicherung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten in Deutschland. ams wird unter anderem:
* bestehende deutsche Produktionsstandorte von Osram mindestens 3 Jahre lang weiter betreiben
* etwa die Hälfte der Leitung von Verwaltungsfunktionen des zusammengeschlossenen Konzerns mit einem signifikanten Teil der jeweiligen Teams in München ansiedeln, und eine angemessene Vertretung von Mitgliedern
des Osram-Managements im gemeinsamen Unternehmen sicherstellen
* den Formwechsel von ams von einer AG in eine Societas Europaea nach österreichischem Recht prüfen;
* eine Erweiterung des Aufsichtsrats von ams von 9 auf 12 Mitglieder prüfen (wodurch die Zahl der Belegschaftsvertreter von 3 auf 4 steigen würde)
* bestehender Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und ähnliche Vereinbarungen in Deutschland fortführen
* betriebsbedingte Beendigungskündigungen an den Standorten in Deutschland, die direkt mit der Transaktion zusammenhängen, bis zum 31. Dezember 2022 ohne Zustimmung des Betriebsrates ausschliessen
* bestehende Osram-Pensionspläne unverändert beibehalten; und
* Möglichkeiten prüfen, den Markennamen Osram in den Namen des gemeinsamen Unternehmens aufzunehmen.
(APA/Reuters)