Weißrussischer Präsident in Wien: Aktivisten fordern klare Worte von Van der Bellen

Alexander Lukaschenko
Alexander Lukaschenko(c) APA/AFP/SERGEI GAPON (SERGEI GAPON)
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Ein Thema des Besuchs von Alexander Lukaschenko soll der Erhalt des Gedenkortes des ehemaligen Nazi-Todeslagers Maly Trostenez sein. Aber auch über die „problematische Frage der Menschenrechte“ will Österreich sprechen.

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko besucht heute Österreich. Es handelt sich um den ersten offiziellen Besuch des autoritären Staatschefs in einem EU-Land seit 2016, als die Sanktionen gegen Weißrussland (Belarus) aufgehoben wurden. Lukaschenko trifft mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zusammen.

Themen des Besuchs werden die Erinnerungspolitik - also der Erhalt des Gedenkortes des ehemaligen Nazi-Todeslagers Maly Trostenez - und bilaterale Fragen sein. Laut Präsidentschaftskanzlei wird es auch einen kritischen Dialog über die "problematische Frage der Menschenrechte" geben. Österreich und die EU plädieren für die Abschaffung der Todesstrafe.

Menschenrechtsaktivisten appellieren an Van der Bellen

Weißrussische Menschenrechtsaktivisten wünschen sich von Van der Bellen am Dienstag klare Worte. In Wien sollte die Abschaffung dieser "unmenschlichen" Strafe angesprochen werden, sagte Valiantsin Stefanovic von der Menschenrechtsorganisation Wjasna (Viasna) im Gespräch mit der APA.

"Unsere Regierung denkt, sie kann ihre eigenen Bürger töten und entscheiden, wer leben darf und wer nicht." Stefanovic betonte, dass Weißrussland das einzige Land in Europa sei, das die Todesstrafe noch anwende. Zwei Menschen seien 2019 hingerichtet worden, berichtete Stefanovic, der seit 1998 Menschenrechtsverteidiger ist. Gegen drei Personen sei in dem Jahr ein Todesurteil verhängt worden. Einer von ihnen stehe gerade am Dienstag vor dem Höchstgericht und hofft auf Änderung der vorinstanzlichen Entscheidung. Dass das Höchstgericht ein Todesurteil kippt, sei aber noch nie vorgekommen. Und auch Lukaschenko habe erst einmal einen Verurteilten begnadigt. Die Strafe sei in eine lebenslängliche Haft umgewandelt worden.

Das Argument der Regierung, dass es ein Referendum zugunsten der Todesstrafe gab, lässt Stefanovic nicht gelten. Die Abstimmung habe 1996 stattgefunden und seither gebe es eine neue Generation in Weißrussland, betonte er. Außerdem liege das Thema im Verantwortungsbereich der Politik. "Ich habe noch nie gehört, dass irgendwann in der Geschichte in einem Land die Todesstrafe per Referendum abgeschafft wurde."

Außerdem wünscht sich Stefanovic, dass in Wien die erhofften Schritte für eine politische Liberalisierung angesprochen werden, also konkrete gesetzliche Reformen bei den Bürger- und Menschenrechten. Hier beobachten die Experten zwei parallele Prozesse. Einerseits verfolge die Regierung eine sogenannte "softe Praxis". Das bedeute, dass "sie versucht, nicht harte Formen der Repression anzuwenden wie die Festnahme von Demonstrationsteilnehmern oder politische Häftlinge." Derzeit gebe es nur mehr einen politischen Gefangenen im Land.

Aber andererseits "können wir nicht sagen, dass wir irgendeinen Fortschritt in der Menschenrechtssituation sehen". Die Gesetze seien weiterhin voller Restriktionen bei den Bürgerrechten wie Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Medienfreiheit. Die Regierung blockiere Internetseiten nach Belieben.

"Jeder weiß, dass die softe Praxis sehr schnell wieder geändert werden kann, wenn etwas passiert." Zuletzt war dies im März 2017. Damals habe die Regierung Strafsteuern gegen Menschen verhängen wollen, die längere Zeit arbeitslos sind. Gegen die Anwendung dieser Regelung gingen die Menschen auf die Straße, berichtete Stefanovic. Lukaschenko habe erkannt, dass dies seiner Macht wirklich gefährlich werden könnte oder - wie das Regime es nenne - der Stabilität des Landes. Die "softeren" Methoden wurden sofort beiseitegeschoben, Festnahmewellen folgten. Zu Jahresende seien aber alle wieder freigelassen worden.

Um besseres Verhältnis zu EU bemüht

Die "sanfteren Methoden" seien ein Resultat der geopolitischen Situation. Insbesondere nach der russischen Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel sei Lukaschenko um besseres Verhältnis zur EU und den USA bemüht. Auch wenn "das Klima im Land ein bisschen wärmer wurde", die Bedingungen für NGOs seien unverändert. NGOs müssten wie in Russland registriert werden. Menschenrechtsorganisationen hätten keine Möglichkeit auf Finanzierung aus dem Ausland, denn die sei "komplett vom Staat kontrolliert".

Seine Organisation etwa arbeite seit 2003 ohne Registrierung, seit Juli 2019 werde die Arbeit von nicht registrierten NGOs aber zumindest nicht mehr strafrechtlich verfolgt. "Wir sind sehr glücklich, keine Kriminellen mehr zu sein", sagte Stefanovic lachend. Hohe Verwaltungsstrafen sind zwar weiterhin möglich. Das sei aber immer noch besser als lange Haftstrafen. Wjasna sei schon öfter vom KGB gefilzt worden. Ganz schlimm sei es nach der Präsidentschaftswahl 2010 gewesen, bei Razzien im Büro und auch in den Wohnungen der Mitarbeiter sei u.a. der Chef der Organisation, Ales Beljazki, festgenommen und 3,5 Jahre inhaftiert worden. Die letzte "Attacke" der Spezialpolizei gegen seine Organisation habe im März 2017 stattgefunden, wieder gab es Festnahmen und Gewaltanwendung, sodass ein Mitarbeiter sogar ins Spital musste. Die Freilassung sei erst nach Intervention der US-Botschaft bei Außenminister Wladimir Makej erfolgt.

(APA)

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