Gesundheitsdaten-Einkaufstour

Googles heimlicher Datenjackpot

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Mehr als ein Jahr sammelte Google Millionen von US-Gesundheitsdaten, ohne Wissen der Patienten. Diese Sammelwut könnte Google Probleme bei der Übernahme von Fitbit machen.

Google sammelt seit mehr als einem Jahr die Gesundheitsdaten von zehn Millionen Patienten in den USA. Ohne Wissen der Patienten, Pfleger oder Ärzte. Offiziell bestätigt wurde die Zusammenarbeit Googles mit dem katholischen Betreiber von Gesundheitseinrichtungen Ascension erst nach einem Bericht des „Wall Street Journal“.

Im Juli kündigte Google in seinem Quartalsbericht an, dass Ascension einen Teil der Daten- und Analyse-Tools auf Google-Server verlagern wird. Die tatsächliche Zusammenarbeit ging aber weit darüber hinaus. 2018 wurde das Projekt „Nightingale“ gestartet, im Rahmen dessen Daten wie Laborergebnisse, Arztdiagnosen, Krankenhausberichte, Anamnese sowie Patientennamen und Geburtsdaten ausgetauscht wurden.

Ziel sei, Anwendungen für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen im Gesundheitsbereich zu entwickeln. Dafür hat Google den idealen Partner gefunden. Das katholische Unternehmen Ascension ist der zweitgrößte Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen in den USA. Es betreibt in 21 Bundesstaaten mehr als 2600 Krankenhäuser und 50 Pensionistenheime. Insgesamt betreut es über zehn Millionen Menschen.

Gesetz von 1996 schützt Praktik

Von Ascension wird die Zusammenarbeit verteidigt. „Da sich das Umfeld im Gesundheitswesen weiter rasant entwickelt, müssen wir uns verändern, um die Bedürfnisse und Erwartungen derer, die wir bedienen, sowie unserer eigenen Pflegekräfte und Gesundheitsdienstleister besser zu erfüllen“, sagt Euardo Conrado, Executive Vice President bei Ascension. Ähnlich formuliert es Googles Cloud-Chef Tariq Shaukat, wonach das Ziel sei, „die Ergebnisse zu verbessern, die Kosten zu senken und Leben zu retten“. Mindestens 150 Google-Mitarbeiter haben im vergangenen Jahr mit den Ascension-Daten gearbeitet.

Dass Patienten und Angestellte nicht informiert wurden, rechtfertigen beide Unternehmen mit einem Gesetz von 1996. Der Health Insurance Portability and Accountability Act soll unter anderem den Schutz personenbezogener Gesundheitsdaten sicherstellen. Dieses Gesetz erlaubt die Weitergabe von Patientendaten an Geschäftspartner, solange die Daten nur dazu verwendet werden, die Einrichtung bei ihren Behandlungsfunktionen zu unterstützen.

Google betont, dass die Daten nicht mit anderen Nutzerdaten des Unternehmens verknüpft oder kombiniert werden. Zudem gebe es ähnliche Vereinbarungen mit anderen Anbietern im Gesundheitswesen, etwa dem Krankenhausbetreiber Mayo-Klinik. Im September wurde ein Vertrag einer strategischen Partnerschaft über einen Zeitraum von zehn Jahren geschlossen. Auch hier geht es um die Entwicklung von Google-Services mithilfe von Cloud Computing, Datenanalyse und maschinellem Lernen, um „Innovationen im Gesundheitswesen durch digitale Technologien zu beschleunigen“.

Die Kooperationen sind Teil der Strategie von Google-Chef Sundar Pichai, neue Geschäftsfelder im Cloud-Geschäft zu lukrieren. 2018 investierte das Unternehmen zehn Mrd. Dollar in den Bau neuer Rechenzentren. Aber auch Amazon, Apple und Microsoft wittern im Gesundheitswesen die nächste große Chance. Wobei keinem der Konzerne ein ähnlicher Coup gelungen ist wie bislang Google. Doch der Suchmaschinen-Konzern verspürt in den USA aktuell auch Gegenwind von den Behörden. Es wurden kartellrechtliche Untersuchungen eingeleitet. Dabei geht es um die Frage, ob Google den Wettbewerb im Geschäft mit Werbung im Internet behindert hat.

Von Fitbit „verabschieden“

Das Verschweigen des Datenaustauschs mit Ascension kommt für Google zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Aktuell prüfen Regulierungsbehörden die Übernahme von Fitbit. Der Fitnessarmband-Spezialist soll für 2,1 Mrd. Dollar gekauft werden. Die von Fitbit gesammelten Daten der 28 Millionen Nutzer sollen dabei nicht für Werbezwecke missbraucht werden, erklärt Google.

Datenschützer der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sind jedoch skeptisch und empfehlen, sich „komplett zu verabschieden“ und die Daten zu löschen. Facebook habe bei der Übernahme von WhatsApp versprochen, Daten nicht für kommerzielle Zwecke zu nutzen, um zwei Jahre später das Versprechen zu brechen.

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