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Gemeinsames Werken mit Kollege Roboter

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Auf industriellen Montageplätzen werden zunehmend die Schutzzäune abgebaut. Sensitive Leichtbauroboter teilen mit Menschen den Arbeitsraum oder werden als Montur einfach huckepack genommen.

Exoskelette – also Roboter zum Anziehen – sind im medizinischen Bereich bereits seit Jahren im Einsatz, etwa für Querschnittsgelähmte. Nun sollen sie Bereiche der Industrie und Logistik erobern. Cray X ist das neueste Produkt des deutschen, 2017 gegründeten Robotik-Spezialisten German Bionic. Es ist Europas erster Hersteller von Exoskeletten, die für die industrielle Produktion entwickelt und gefertigt werden.  „Unsere Exoskelette sind Mensch-Maschinen-Systeme, die menschliche Intelligenz mit maschineller Kraft kombinieren, indem sie die Bewegungen des Trägers aktiv unterstützen oder verstärken“, erläutert Peter Heiligensetzer, Gründer und Geschäftsführer von German Bionic. Cray X wurde speziell für die manuelle Handhabe von schweren Gütern und Werkzeugen konzipiert, indem es den Kompressionsdruck im unteren Rückenbereich verringert und so das Risiko von Arbeitsunfällen und überlastungsbedingten Erkrankungen minimiert. Typisch sind Arbeitsprozesse in der industriellen Produktion, beispielsweise in der Automobilbranche, aber auch körperlich schwere Arbeiten im Baugewerbe und der Logistik. Praktische Härtetests wurden schon absolviert.

Schnittstelle zur Smart Factory

Seit Juli 2019 nutzen etwa Mitarbeiter des Möbelherstellers Ikea die Exoskelette im hauseigenen Logistikzentrum. Bei BMW wird das Exoskelett Cray X derzeit im Werkstattbetrieb getestet. Dass man beim Robotik-Spezialisten schon die nächsten Entwicklungsstufen im Auge hat, zeigt die neue Cloud-Plattform German Bionic IO.  Hier wird die dritte Generation von Cray X mit Enterprise-Lösungen und vernetzten Fertigungssystemen im Internet der Dinge verbunden. Das Ziel ist die vollständige Integration in Smart Factory- und Industrie-4.0-Umgebungen. „Neben Cloud-Services wie drahtlosen Softwareupdates und vorbeugender Wartung sorgen wir für die ständige Optimierung des ­intelligenten Steuerungssystems durch maschinelles Lernen. Damit schaffen wir die datenwissenschaftliche Grundlage für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz und die nächste Stufe der Bionik“, sagt Armin G. Schmidt, CEO von German Bionic. Im Fokus sind vordergründig die Gesundheit der Nutzer und die Verbesserung der Arbeitsproduktivität. Dahinter steht ein allgemeines Interesse an der Erforschung der Rolle des Menschen in der Industrie 4.0. Schließlich sollen die Roboteranzüge dort zum Einsatz kommen, wo menschliche Arbeit nicht sinnvoll ist und durch Vollautomatisierung oder Robotiksysteme ersetzt werden kann.

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Geht es nach Peter Heiligensetzer, herrscht kein Mangel an möglichen Anwendungsgebieten: „Ich bin mir sicher, dass Menschen in den nächsten 50 Jahren selbst in der Produktion nicht völlig durch Maschinen substituiert werden.“  Der Cray X sei eben kein Exemplar der Sorte „böser Roboter“, der Arbeitsplätze wegnehme. Eher im Gegenteil. Die Vorgabe lautet Kollaboration. Ein Ansatz, der auch die Marktforschungsinstitute zu überzeugen scheint. Der Sparte Exoskelette werden satte Wachstumsraten von 40 bis 50 Prozent pro Jahr prophezeit. Das US-amerikanische Institut BIS Research rechnet mit einem Marktvolumen von 4,65 Milliarden Dollar bis 2026.

Sag Cobot, nicht Robot

Von der Maschine, die dem Menschen beruflich im Weg steht, will man auch bei Kuka nichts hören. Das börsennotierte Unternehmen aus der Maschinenbaubranche mit Sitz in Augsburg gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Robotik, Anlagen- und Systemtechnik und setzt unter anderem auf die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Der Mensch steuert und überwacht die Produktion, der Roboter – in diesem Fall der Cobot (Collaboration & Robot)  – übernimmt die körperlich anstrengenden Arbeiten. Beide bringen ihre Fähigkeiten dort ein, wo sie kompetent sind. Geht es nach Kuka, gibt es in der Fabrik der Zukunft keine Trennung zwischen automatisierten und manuellen Arbeitsplätzen. Menschen und Cobots arbeiten zusammen, Seite an Seite. Entwickelt wurden dafür die weltweit ersten in Serie gefertigten und für MRK zugelassenen Leichtbauroboter (LBR).

MRK-Lösungen bieten sich überall dort an, wo die Maschine den Menschen bei ergonomisch ungünstigen Positionen (Überkopfarbeiten, gebückte Tätigkeiten etc.) unterstützen kann. Auch Produktionsprozesse mit Qualitätsproblemen sind geeignet, etwa Bahnprozesse mit sehr hohen Anforderungen an die Genauigkeit. Die automatisierte Prozessdokumentation ist ebenso ein Argument, da bei sicherheitsrelevanten Arbeitsschritten die Prozessdaten gespeichert, archiviert und vernetzt werden. Insgesamt verspricht das Miteinander von Mensch und Maschine einen besseren Workflow und so ein Plus bei Effizienz und Produktivität – sofern Unternehmen verstehen, wie sie einen Cobot-Einsatz zu gestalten haben.

Vier Phasen: Von der Idee zur Umsetzung

Dass Potenziale noch brach liegen, hat damit zu tun, dass die Mensch-Maschinen-Kollaboration oftmals als rein technische Lösung betrachtet wird. Übersehen wird dabei das Planungsprinzip. „Wichtig ist, dass alle relevanten Mitarbeiter aus den Bereichen Planung, Produktion, Instandhaltung, Arbeitssicherheit, Einkauf und Controlling bei der Planung einer MRK-Applikation ins Boot geholt werden“, so Johannes Kurth, Leiter Engineering Advanced Technology Solutions bei Kuka. Danach folge idealerweise ein Prozess, der sich in vier Phasen einteilen lässt.

Im ersten Schritt sollten sich Unternehmen mit der Technologie vertraut machen und mögliche Anwendungsfelder benennen. Im zweiten Schritt gilt es, ein Anlagenkonzept unter Berücksichtigung aller Sicherheitsaspekte zu erstellen und die technische Machbarkeit zu prüfen. Bei ganz neuen Themen kann im Einzelfall eine Machbarkeitsuntersuchung im Labor zwecks Absicherung der Prozessstabilität und des Sicherheitskonzepts sinnvoll sein. In einem letzten Schritt ist die Anlage dann umzusetzen.

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