Interview

Christoph Swarovski: „Industrie wird in ihrer Bedeutung unterschätzt“

(C) IV Tirol
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IV-Tirol-Präsident Christoph Swarovski betont: „Nach der Entlastung der Arbeitnehmer müssen nun die Betriebe – unabhängig von Größe und Rechtsform – entlastet werden.“ Überregulierungen müssen weg.

Was wäre die Wunschregierungsvariante für die Industrie? Kommt Schwarz-Grün, hätte Tirol ja bereits Erfahrung.

Christoph Swarovski: Die kommende Bundesregierung sollte in welcher Koalitionsvariante auch immer im Interesse des Landes die Inhalte und den Kurs der vergangenen Bundesregierung fortsetzen. Die Verhandlungen werden zeigen, mit welcher Partei das möglich ist. Ein Vergleich zwischen dem Land Tirol und dem Bund ist nur bedingt möglich. Bei den Kompetenzen, die ein Bundesland hat, sind Kompromisse sicher leichter möglich als auf Bundesebene, wo es doch um die großen Themen wie Steuern, Sozialpolitik, Migration, Bildung, Gesundheit, Arbeitsrecht und Pensionen geht. ÖVP und FPÖ teilen am umfassendsten die gleiche Auffassung zu diesen Themen.

Derzeit sagen viele in der Wirtschaft, dass in der Politik seit einem halben Jahr nur Stillstand verwaltet wird und Probleme aufgeschoben werden. Welche Themen müssten von der neuen Regierung für die Wirtschaft primär angegangen werden?

Stillstand wäre besser gewesen als das freie Spiel der Kräfte, durch das ohne Notwendigkeit die kommenden Generationen materiell belastet werden. Was ist anzugehen: Nach der Entlastung der Arbeitnehmer müssen nun die Betriebe – unabhängig von Größe und Rechtsform – entlastet werden. Es geht um Rahmenbedingungen, die unseren Betrieben weiterhin ermöglichen, hier im Land zu produzieren. Wenn die EU in einigen Bereichen die Wirtschaft überreguliert, dann darf das nicht auch noch mit Gold Plating im Bund und in den Ländern übertroffen werden. Besondere Vorsicht ist in der Klimapolitik notwendig. Wenn wir durch Steuern und Regulierungen die Produktion in Länder vertreiben, die weniger umweltfreundlich produzieren, dann ist das für das Klima, aber auch für uns sicher der falsche Weg.

Tirol kennt man als Tourismusland. Der Fremdenverkehr erbringt mit 18 Prozent der Tiroler Bruttowertschöpfung überdurchschnittlich viel. Die Industrie trägt aber 28 Prozent bei. Und 70 Prozent der in Tirol hergestellten Waren werden exportiert. Wie viel Luft ist noch nach oben?

Wir erkennen in den Umfragen, dass die Industrie in ihrer Bedeutung unterschätzt wird. Der Tiroler Erfolg liegt im Zusammenspiel aller Wirtschaftsbereiche. Entscheidend ist dabei der gesunde Mix. Die Industrieproduktion ist – nach den aktuellen Daten und trotz der jüngsten Abkühlung der Konjunktur – im heurigen Jahr noch gestiegen. Die Grenzen lassen sich derzeit schwer ausloten. Als begrenzender Faktor zeigen sich die benötigten Fachkräfte und auch die eingeschränkten räumlichen Möglichkeiten. Der Anteil der Industrie an der Gesamtwertschöpfung wird aber – aus derzeitiger Sicht – noch weiter steigen, wenn die Politik die richtigen Weichen stellt.

Platz ist in Tirol rar. Nur zwölf Prozent des Landes gelten als Dauerbesiedlungsraum. Wie viel Entwicklungsmöglichkeiten hat die Industrie platzmäßig noch? Wird es immer schwieriger, durch UVP und Umweltschutz, Erweiterungen zeitgerecht zu schaffen?

Für notwendige und sinnvolle Erweiterungen ist es bisher immer gelungen, die notwendigen Flächen zu bekommen. Für die Zukunft ist die Raumordnung gefordert, die Flächen rund um Industriebetriebe nicht durch zu nahen Wohnbau für Erweiterungen der Betriebe unbrauchbar zu machen. UVP- Verfahren sind für die Industrie immer wieder ein Thema, auch wenn diese abgesehen von ein paar Ausnahmen meist zügig umgesetzt werden können. Beim Umweltschutz unternehmen unsere Betriebe sehr viel – und das auch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Das Einvernehmen mit Anrainern und Behörden ist daher prinzipiell gut. Wir wollen schließlich alle in einer gesunden Umwelt leben.

Ein Thema, das die Industrie seit Jahren verfolgt, ist der Fachkräfte- und Lehrlingsmangel. Auch Technik- und IT-Kräfte fehlen den Unternehmen. Wie kann man gegensteuern? Oder wird sich das Problem verschärfen?

Wir brauchen technische Bildung in allen Bereichen. In der Berufsorientierung und in der Bewusstseinsbildung für die Lehre passiert – vor allem auch durch die Unterstützung des Landes – in Tirol sehr viel. Ziel wäre allerdings, noch mehr Maturanten für eine Lehre zu begeistern. Zudem muss man sich für Schlüsselkräfte aus dem Ausland mehr öffnen. Über Initiative der IV-Tirol gibt es jetzt ein Welcome-Service für diese Fachkräfte. Hinsichtlich der internationalen Bildungsangebote besteht allerdings noch dringender Handlungsbedarf.

Wie gut ist die Tiroler Industrie auftragsmäßig noch aufgestellt?

Die jüngste Konjunkturumfrage bei unseren Mitgliedern zeigt einen deutlichen, aber nicht dramatischen Rückgang der Aufträge. Wir rechnen mit einer in naher Zukunft weiterhin nachlassenden Konjunktur, aber wir wissen zum Glück, wie man damit umzugehen hat. Ich blicke jedenfalls, was die Tiroler Industrie betrifft, optimistisch in die Zukunft.

ZUR PERSON

Christoph Swarovski ist Präsident der Industriellenvereinigung Tirol und Unternehmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2019)


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