Parlamentsvotum stürzt moldauische Regierung

Moldova´s Prime Minister Sandu delivers a speech during a session of parliament in Chisinau
Moldova´s Prime Minister Sandu delivers a speech during a session of parliament in Chisinau(c) REUTERS (VLADISLAV CULIOMZA)
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Mit einem Misstrauensvotum fiel am Dienstag die fragile Regierungskoalition der Republik Moldau. Vorangegangen war ein Konflikt über die Bestellung des Generalstaatsanwalts.

Die fragile Regierungskoalition aus dem prowestlichen und prorussischen Lager in der Republik Moldau ist seit Dienstag Geschichte. Das Parlament stürzte die Koalition von Premierministerin Maia Sandu in einem Misstrauensvotum, das 63 Abgeordnete von 101 Abgeordneten unterstützten. Mehrere Parlamentarier der regierenden Sozialisten hatten sich mit der in Opposition befindlichen früheren Regierungspartei der Demokraten verbündet.

Der Abstimmung vorausgegangen war ein Streit innerhalb der Regierung, bei dem es um die Justizreform und im Detail um die Ernennung des Generalstaatsanwaltes gegangen war. Sandu, die mit ihrer Partei Acum einen proeuropäischen Kurs vertritt, wollte den Anwärter auf den Posten selbst ernennen, nachdem eine Auswahlkommission vermutlich einen von den Sozialisten bevorzugten Kandidaten gewählt hätte. Regierungschefin Sandu stellte gegenüber dem sozialistischen Koalitionspartner klar, dass für sie die Justiz eine "rote Linie" darstelle, die nicht überschritten werden dürfe, und sie folglich den Rechtsrahmen ändern werde, um dem Justizrat fortan selbst eine "Shortlist" unabhängiger Chefermittler-Kandidaten vorschlagen zu können. Die offene Konfrontation missfiel den Sozialisten, die sich mit der Auflösung der Koalition rächten.

Besagte Gesetzesinitiative verknüpfte die Ministerpräsidentin am Freitag im Parlament an die Vertrauensfrage, die mitregierenden Sozialisten stellten prompt einen Misstrauensantrag. Über das Wochenende hatten die Sozialisten Sandu wiederholt wissen lassen, dass sie den drohenden Abgang ihres Kabinetts nur abwenden könne, wenn sie ihre Gesetzesänderung zurücknehme und die Justizministerin entlasse. Die Ministerpräsidentin stellte jedoch klar, "keinen Schritt zurück" machen zu wollen: Ihre Regierung habe sich die "Entoligarchisierung" des Landes sowie die Reform des Justizsystems auf die Fahnen geschrieben, letztere könne "nicht mit korrupten Richtern und Staatsanwälten durchgezogen" werden.

Ex-Parteichef könnte Finger im Spiel haben

Im Hintergrund geht es bei dem Konflikt auch um die Aufarbeitung des Milliarden-„Bankraubes“, der die kleine Republik zwischen Rumänien und der Ukraine vor ein paar Jahren erschütterte. Damals war rund eine Milliarde Dollar von drei Banken abgezweigt worden. Die Verantwortlichen sind bis heute nicht gefunden.

Hinter den Machenschaften vermuten manche Vlad Plahotniuc, den früheren Chef der einflussreichen Demokratischen Partei und reichsten Mann der Moldau, der nach dem friedlichen Machtwechsel mit seinem Privatjet außer Landes geflohen ist. Zunächst wurde er in der Schweiz vermutet; anderen Quellen zufolge befindet er sich in den Vereinigten Staaten. Sandus Regierung war mit dem Ziel angetreten, die Ära Plahotniuc umfassend aufzuarbeiten - und zu Beginn hatte es durchaus Optimismus gegeben, dass ein Neuanfang möglich sein könnte. Letztlich dürften sich die gegenläufigen (geo-)politischen Interessen der Koalitionspartner doch in die Quere gekommen sein.

90 Tage Zeit für Verhandlungen

Die politischen Kräfte haben nun 90 Tage Zeit für die Bildung einer neuen Regierung. Können sie sich nicht einigen, müssen Neuwahlen stattfinden. Erst vor kurzem hatten die Lokalwahlen stattgefunden.

Die aktuelle Regierungskrise ist eine schlechte Nachricht für das kleine Land, das seit Jahren aufgerieben wird von verfeindeten politischen Lagern und dessen Bürger mit Auswanderung auf die schwache Wirtschaft und die grassierende Korruption reagieren. Die Republik Moldau ist mit einem Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sprach von einem „besorgniserregendem Signal für den Reformprozess des Landes“. Nach der Parlamentswahl im Februar zog sich die Regierungsbildung lang hin, Sandu regierte erst seit Juni. „Die Notwendigkeit von Reformen hat sich mit dem Abwählen der Regierung nicht erübrigt“, heißt es in der EU-Stellungnahme ungewöhnlich deutlich. 

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