Regierungsbildung

Spaniens Sozialisten wollen Koalition mit Linkspopulisten

APA/AFP/GABRIEL BOUYS
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Nach der Wahl im April war eine Koalition zwischen Premier Sanchez und UP-Chef Iglesias noch gescheitert. Nach den Neuwahlen am Sonntag wollen die Parteien nun in eine gemeinsame Regierung.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez hat sich mit der linkspopulistischen Unidas Podemos (UP) auf die Bildung einer Koalitionsregierung verständigt. Um das politische Patt zu durchbrechen, habe man eine "progressive" Regierung aus Sozialisten und Unidas Podemos vereinbart, sagte Sanchez nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstagnachmittag in Madrid.

Sanchez äußerte sich gemeinsam mit UP-Chef Pablo Iglesias. Dieser berichtete, dass bereits ein "Vorvertrag" für ein Koalitionsabkommen akkordiert worden sei. Man werde nun um Unterstützung weiterer Parteien für das Abkommen werben, sagte er. Die beiden Parteien stellen nach der Wahl am Sonntag gemeinsam 155 der 350 Mandate im Madrider Parlament, um 21 weniger als die absolute Mehrheit.

Als mögliche Mehrheitsbeschaffer werden kleinere linke oder regionale Parteien genannt, aber auch die beim Urnengang vernichtend geschlagenen rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger). Deren Chef Albert Rivera, der bisher eine Zusammenarbeit mit Sanchez strikt ausgeschlossen hatte, war am Montag zurückgetreten, nachdem die Partei 47 ihrer bisher 57 Mandate verloren hatte.

Die Sozialisten waren bei der Wahl am Sonntag zwar neuerlich klar stärkste Kraft geworden, konnten ihre führende Position aber nicht ausbauen. Die vorgezogene Wahl - der vierte Urnengang innerhalb von nur vier Jahren - war erforderlich geworden, weil sich Sanchez mit den Linkspopulisten nicht auf die Duldung einer Minderheitsregierung verständigen konnte.

Katalanischen Separatisten bringen sich ins Spiel

Der große Erfolg der rechtspopulistischen Partei Vox (Stimme), die mit 52 Mandaten (bisher 24) künftig drittstärkste Kraft im spanischen Parlament sein wird, hat den Einigungsdruck auf die beiden Linksparteien nun aber massiv verstärkt. Zudem kamen von der konservativen Volkspartei (PP) deutliche Signale, Sánchez nicht ins Amt helfen zu wollen. Medienberichten zufolge wollte die Partei von Oppositionsführer Pablo Casado eine sozialistische Minderheitsregierung nur dulden, wenn diese nicht von Sánchez geführt wird.

Bereits am Montag hatte auch die mit UP verbündete einflussreiche Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, in drastischen Worten auf die Bildung einer Linksregierung gedrängt. "Entweder die Linken bilden eine breite Front, oder wir fahren alle zur Hölle", schrieb sie auf Twitter.

Unterdessen brachten sich auch die katalanischen Separatisten als mögliche Mehrheitsbeschaffer für Sanchez ins Spiel. Als Gegenleistung müsse Sánchez aber einen Dialog mit der Region eröffnen, "bei dem über alles gesprochen werden kann", sagte Regionalpräsident Quim Torra am Dienstag in Barcelona. Man gebe die Stimmen bei der Wahl des Ministerpräsidenten "nicht gratis" her, sagte Torra nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa.

Die drei separatistischen Parteien in Katalonien stellen insgesamt 23 Mandate im neuen Parlament. Beobachter halten es aber für unwahrscheinlich, dass sich Sánchez von den Separatisten abhängig machen wird. Diese forderten den spanischen Staat erst am Dienstag heraus, indem sie im Regionalparlament in Barcelona eine - bereits im Vorfeld vom Verfassungsgericht in Madrid für illegal erklärte - Resolution über die "Selbstbestimmung" des katalanischen Volkes beschlossen.

Einigung mit Regionalparteien wahrscheinlich

Wahrscheinlicher ist eine Vereinbarung mit anderen Regionalparteien, die die spanische Verfassungsordnung anerkennen. Diese bringen aber nur zwölf Mandate auf die Waagschale, womit die beiden Linksparteien selbst bei einer Unterstützung durch die von UP-Dissidenten gegründete neue linksgrüne Partei "Mas Pais" (drei Mandate) unter der magischen Zahl von 176 Stimmen im Congreso de los diputados bliebe.

Sanchez war im Juni des Vorjahres durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ins Amt gekommen. Rajoy wurde nach einem beispiellosen Korruptionsskandal in den Reihen der PP mit den Stimmen von Sozialisten, Linkspopulisten und Regionalparteien gestürzt. Weil dieses "Misstrauensvotums-Bündnis" aber schon zu Jahresbeginn an einem Streit über das Budget zerbrach, kam es im April zu Neuwahlen, bei denen die Sozialisten die Volkspartei als stärkste politische Kraft überholten. Sanchez scheiterte daraufhin aber zwei Mal beim Versuch, sich vom Parlament zum Regierungschef wählen zu lassen.

(APA/Reuters)

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