Saudiarabien

Schauspieler während Vorstellung niedergestochen

Im streng konservativen Wüstenstaat wurden die Restriktionen für Freizeitvergnügungen aufgeweicht. Das saudische Königshaus pumpt Milliarden in den Ausbau des Unterhaltungssektors. Das gefällt nicht jedem.

Riad. Auf dem Video ist ein Mann zu sehen, der auf die Freiluftbühne stürmt und mit einem Messer auf in Gold gekleidete, singende Schauspieler losgeht. Zwei Männer und eine Frau verletzt der Angreifer mit seinem Messer. Die Aufführung im King Abdullah Park in der saudischen Hauptstadt Riad wird abgebrochen, dann ist das Video zu Ende.

Diese Szenen strahlte das saudische Staatsfernsehen aus. Laut einem Polizeisprecher handelt es sich bei dem Angreifer, der festgenommen wurde, um einen 33 Jahre alten Jemeniten. Bei den Darstellern soll es sich um Mitglieder einer internationalen Theatertruppe handeln, über ihre Nationalität machte das Staatsfernsehen jedoch keine Angaben. Auch wenn das Motiv des Angreifers offiziell nicht genannt wurde, scheint es dennoch auf der Hand zu liegen: Im streng konservativen Saudiarabien wurden erst kürzlich die lange geltenden Restriktionen für Freizeitvergnügungen deutlich gelockert – und damit ist nicht jeder einverstanden.

Reglementierte Reformen

Kronprinz Mohammed bin Salman verfolgt eine ehrgeizige Agenda, um das Land zu modernisieren. Dabei beharrt der 33-jährige Thronfolger aber darauf, dass alle Veränderungen vom Königshaus ausgehen und kontrolliert werden. Die Initiative ist Teil einer Strategie namens „Vision 2030“, um das Land unabhängiger von den Öleinnahmen zu machen und als Reisedestination zu etablieren. Öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen wie etwa Kino- oder Musikaufführungen, die lange Zeit weitgehend verboten waren, werden nun staatlich zelebriert. Unter Mohammed bin Salmans Schirmherrschaft findet derzeit ein großer Veranstaltungsreigen in Riad statt.

Auch jene Vorstellung im King Abdullah Park, die am Montagabend Ziel des Angreifers war, war Teil dieser kulturellen Offensive. Die Auftritte westlicher Popstars wie der südkoreanischen Boyband BTS – im King Fahd-Stadion in Riad vor angeblich fast 70.000 Fans – von Janet Jackson, Mariah Carey oder Rapper 50 Cent begeistern die junge Bevölkerung des 33 Millionen-Einwohner-Landes, verärgern aber konservative Geistliche.

Doch Kritik wird auch im kulturellen Bereich nicht geduldet: Der prominente Gelehrte, Scheich Omar al-Muqbil, wurde vor wenigen Wochen festgenommen, nachdem er die Politik der General Entertainment Authority (GEA) als Bedrohung für die Kultur des Königreichs kritisiert hatte. Dass die Behörde internationale Musikstars hofiert, um das Image Saudiarabiens aufzupolieren, ging dem Gelehrten zu weit.

Die Behörde will im nächsten Jahrzehnt 64 Milliarden US-Dollar in den Unterhaltungssektor investieren. Dazu zählt auch ein Event wie ein Boxkampf: Anfang Dezember tritt der amtierende Schwergewichtschampion Andy Ruiz gegen Vierfachweltmeister Anthony Joshua im Ring in Riad an. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2019)

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