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Klimaschutz sorgt im Parlament "für solche Kabel"

NATIONALRAT: MEINL-REISINGER / STRACHE
NATIONALRAT: MEINL-REISINGER / STRACHEAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die SPÖ wiederholt ihre Kritik an den Grünen. Die Mautausnahmen wurden beschlossen. Sie könnten ein Echo etwaiger türkis-grüner Verkehrspolitik sein.

Der Nationalrat hat am Mittwochnachmittag gegen die Stimmen der SPÖ Mautausnahmen für fünf Autobahnabschnitte beschlossen. Damit sollen Regionen, die besonders von Ausweichverkehr betroffen sind, entlastet werden.

Konkret geht es um Abschnitte der Inntalautobahn A12 (Kufstein Süd), der Westautobahn A1 (Salzburg Nord), der Rheintal/Walgau-Autobahn A14 (Anschlussstelle Hohenems), der Linzer Autobahn A26 und der Mühlkreisautobahn A7 (Bypassbrücke zwischen Ausfahrt Hafenstraße und Urfahr, noch in Bau). Bis Februar 2021 sollen die Auswirkungen evaluiert werden.

Grüne wollen Alternative zur Vignette

Bis 2021 sei nun Zeit, Alternativen auszuarbeiten, meinte Grünen-Mandatar Hermann Weratschnig: Für ihn sei die Vignette ohnehin kein Instrument einer sinnvollen Steuerung des Verkehrs. Seine Klubkollegin Nina Tomaselli sah den Beschluss schon als leisen Abschied von der Vignette. Dass die Ausnahmen durchgewunken werden, begründete Weratschnig damit, dass die Bürger rasch entlastet werden müssten.

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Was mitschwingt, ist ein erster Anklang einer möglichen türkis-blauen Verkehrpolitik. Am Tag zuvor - bei einem Auftakttrefen zu den Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen - hatte Grünen-Chef Werner Kogler angekündigt, an eine Abschaffung der Autobahnvignette zu denken. Stattdessen könne sich seine Partei ein Mautsystem vorstellen.

Neos und FPÖ stimmten mit, SPÖ und Strache nicht

Seitens der Freiheitlichen machte Verkehrssprecher Christian Hafenecker - genauso wie SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer - darauf aufmerksam, dass durch die Befreiungen 30 bis 35 Millionen im Jahr verloren gingen, die dann etwa für Lärmschutzmaßnahmen und Tunnelbau fehlen würden. Die FPÖ stimmte dennoch zu, ebenso die Neos, die die Maßnahme als notwendige Entlastung der Anrainer sieht.

Die SPÖ tat dies - ebenso wie die partei- und fraktionslose Philippa Strache - nicht. Verkehrssprecher Alois Stöger war der Meinung, dass die Länder ohnehin selbst tätig werden könnten. Auch sah er die Mautbefreiung als dem Klimaschutz nicht zuträglich an.

Kritik an Vorgängerregierungen von Neos und Grünen

Der war davor Thema gewesen - und wurde mangels großer Vorhaben emotional diskutiert. Umweltministerin Maria Patek verteidigte, was "trotz eingeschränkter Handlungsfreiheit" der Übergangsregierung hier zuletzt an Einzelmaßnahmen beschlossen wurde. Patek sprach von "einer der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit" und verteidigte den Entwurf zum Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP). Den Parlamentariern war das nicht genug: Sie forderten die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, "den unionsrechtlichen Verpflichtungen im Klimaschutz vollumfänglich nachzukommen" und den NEKP entsprechend zu überarbeiten, "damit Österreich seine Klimaziele mit den darin beschriebenen nationalen Maßnahmen nachvollziehbar erfüllen kann". Dazu, so der von den Grünen eingebrachte Antrag, sollten Emissionen noch vor Mitte des Jahrhunderts über die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus auf Netto-Null reduziert werden.

NATIONALRAT: RENDI-WAGNER / KOGLER
NATIONALRAT: RENDI-WAGNER / KOGLERAPA/ROLAND SCHLAGER

Die Debatte war von Bekenntnissen zum Klimaschutz geprägt, wobei Neos und auch die Grünen den langjährigen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ Versäumnisse in den vergangenen Jahrzehnten vorhielten. ÖVP-Mandatarin und Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger zeigte sich davon unbeeindruckt und sprach von der "größten Aufgabe und Herausforderung unserer Zeit", die noch nie so hoch auf der Agenda gestanden sei, wie gerade jetzt.

„Wenn wir nicht investieren, wird es bald keine Bäume mehr geben“ 

SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner forderte rasches Handeln und schoss sich erneut auf die Grünen ein. Sie warf diesen vor, aus Rücksicht auf die ÖVP rote Anträge nicht zu unterstützen. Es stimme zwar, dass das Geld nicht auf den Bäumen wachse, wie  Kogler zuletzt argumentiert hatte: "Aber wenn wir nicht investieren, wird es bald keine Bäume mehr geben." Bei den Abstimmungen blieb die SPÖ letztlich sowohl mit ihrer Entschließung für eine Klimaschutzmilliarde als auch mit jener zu Klimaticket und flächendeckender Lkw-Bemautung ohne weitere Unterstützer.

Der von der SPÖ kritisierte Kogler drehte den Spieß um und ortete "ein kollektives und kolossales Versagen mehrerer Vorgängerregierungen". Es gelte in den Regierungsverhandlungen, genauso aber auch im Parlament, nicht Einzelmaßnahmen zu treffen, sondern ein Gesamtpaket zu schnüren. Kogler appellierte für ein gemeinsames Vorgehen: "Unsere Hand ist ausgestreckt an alle Fraktionen, wenn es um die Bewältigung der Klimakrise geht."

Strache stimmte mit FPÖ

Erbost zeigte sich Neos-Mandatar Michael Bernhard. Wenn die ÖVP in dieser Frage mit dem Hausverstand argumentiere und die Naturwissenschaft nicht berücksichtige, "da krieg ich wirklich solche Kabel". Auch die SPÖ entdecke erst jetzt den Klimawandel für sich, und von der FPÖ werde man in dieser Frage ohnehin nur ausgelacht.

Tatsächlich sprachen sich die Freiheitlichen gegen von ihnen geortete "neue Belastungen für die Menschen" und damit auch gegen eine CO2-Abgabe aus, wie deren Abgeordneter Walter Rauch betonte. Ihre im Budgetausschuss noch getätigte Unterstützung für den grünen Klimaschutzantrag zog die FPÖ zurück, weil ihr die angepeilte Emissionsreduktion auf Netto-Null zu weit ging. Für diesen blauen Zugang konnte sich nur eine einzige weitere Abgeordnete erwärmen, nämlich die fraktionslose Abgeordnete Strache. (APA/Red.)

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