100 Jahre Festspiele

Das Programm der Salzburger Festspiele: Mozart-Doppel und neuer Handke

 Der kaufmännischer Direktor Lukas Crepaz, Schauspiel-Chefin Bettina Hering, Intendant Markus Hinterhäuser, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, und Konzert-Chef Florian Wiegand
Der kaufmännischer Direktor Lukas Crepaz, Schauspiel-Chefin Bettina Hering, Intendant Markus Hinterhäuser, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, und Konzert-Chef Florian WiegandAPA/BARBARA GINDL
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Mit 222 Vorstellungen feiern die Festspiele im Sommer 2020 ihr großes Jubiläum. Auch Placido Domingo soll auf der Bühne stehen.

"100 Jahre Festspiele, das ist schon was", bekannte Intendant Markus Hinterhäuser am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz. "Nicht mehr und nicht weniger als 100 Jahre Kulturgeschichte.“ Und nun? Mit "Don Giovanni" mit Dirigent Teodor Currentzis am Pult sowie der "Zauberflöte", die aus 2018 neu einstudiert wird, hat man zwei der beliebtesten Mozart-Schöpfungen im Programm. Eröffnet werden die 44 Tage dauernden Festspiele (18. Juli bis 30. August) durch Richard Strauss' "Elektra" mit Asmik Grigorian als Chrysothemis und Franz Welser-Möst am Pult.

Komplettiert wird das hauseigene Opernprogramm durch Luigi Nonos "Intolleranza 1960" und Mussorgskis "Boris Godunow". Die Partnerschaften an der Salzach betont man überdies mit Übernahmen von Mozartwoche ("Messias"), Osterfestspielen ("Tosca") und Pfingstfestspielen ("Don Pasquale").

Handke und Hofmannsthal, Rau undShakespeare

Rund um den 100-jährigen "Jedermann", erstmals mit Caroline Peters als Buhlschaft, tut sich auch im Schauspiel Verheißungsvolles: Der frisch gebackene Literaturnobelpreisträger Peter Handke steuert mit "Zdenek Adamec" eine Uraufführung bei. Martin Kusej kehrt mit einer Burgtheater-Koproduktion zurück auf die Perner Insel und bringt Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau als rivalisierende Königinnen in Schillers "Maria Stuart" mit.

Festspielgründer Hofmannsthal ist neben dem "Jedermann" auch mit "Das Bergwerk zu Falun“ vertreten, Milo Rau bringt sein eigenes Stück (mit Ursina Lardi) "Everywoman" zur Uraufführung. Und Karin Henkel kehrt mit der Hamburger Koproduktion "Richard III" von Shakespeare zurück an die Salzach.

Konzertprogramm mit Überraschungsei

Dem Jahresregenten Ludwig van Beethoven gedenkt man dagegen im Konzertprogramm, wo etwa Festspielliebling Igor Levit alle Beethovensonaten in einem eigenen Zyklus spielen wird. "Moments musicaux" heißt ein neues Konzertformat, bei dem Programm und Künstler bis zum Konzert eine Überraschung bleiben.

Rund um die eigentlichen Festspiele wird das Jubiläum auch in einem umfangreichen Festprogramm begangen - mit dem Herzstück der Landesausstellung "Großes Welttheater". Am eigentlichen Festspiel-Geburtstag, dem 22. August, wird der "Jedermann-Tag" begangen. "Explosionsartig erweitert", so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, hat man das Kinder- und Jugendprogramm.

"Das Herz vom Herzen Europas"

Die "Kunst als Friedensbringer" und "Qualität als Programm" bezeichnete Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler als die beiden zentralen Leitlinien, die die Festspiele durch hundert Jahre getragen haben. "Unsere Gründerväter erträumten sich eine Weltkunstzentrale auf österreichischem Boden", weit weg von den "Zerstreuungen der Großstadt". In Salzburg, "weil es das Herz vom Herzen Europas ist".

Mit Wiederaufnahmen, einer Neueinstudierung, konzertanten Stücken und Neuinszenierungen kommt der Opernsommer heuer auf stolze zehn Titel, in den vier ganz neuen Produktionen - "Don Giovanni", "Elektra", "Boris Godunow" und "Intolleranza 1960" - sieht Intendant Markus Hinterhäuser auch eine Geschichte, die der Gründungsutopie der Festspiele entspricht: vom Individuum zur Gemeinschaft, "von der Leere und dem Nichts eines Don Giovanni zur Nächstenliebe und Toleranz der 'Intolleranza'". Eröffnet wird der Reigen durch "Elektra" mit Franz Welser-Möst am Pult, "einer der profundesten Kenner der Musik von Richard Strauss, der uns in den vergangenen Jahren gezeigt hat, wie und warum man Strauss hören soll", wie Hinterhäuser betonte. In ihrem "Fiebermonolog" sei die Figur der Elektra dem Don Giovanni, seiner Gier und Egozentrik, ebenso unähnlich wie verwandt.

Dirigent Franz Welser-Möst
Dirigent Franz Welser-MöstAPA/GEORG HOCHMUTH

"Don Giovanni", für den Romeo Castellucci und Teodor Currentzis gemeinsame Sache machen, sei "ein niemals zu dekodierendes Geheimnis - wir versuchen es". Zugleich werde die Oper der Auftakt zu einer Aufführung der Da-Ponte-Opern, "in der Zeit, die ich noch hier bin", so Hinterhäuser, "aber nicht als Zyklus, denn sie sind keiner". Auch "Boris Godunow" von Modest Mussorgski trägt zwar einen Protagonisten im Titel, "doch hat sich Mussorgski wenig für ihn interessiert" - stattdessen trete hier die Masse in den Vordergrund. Eines "der gewaltigsten Manifeste für eine andere, neu gedachte Welt" sieht der Intendant in Luigi Nonos "Intolleranza", die eigentlich keine Oper, sondern eine "szenische Aktion" ist und mit zahlreichen Konventionen des Musiktheaters bricht. Geleitet wird sie von "dem Musiker, der Nono am meisten erspüren kann, und das ist Ingo Metzmacher".

"Noch keine Annäherung“ mit Bachler

Als "Dreiviertel"-Neuinszenierung möchte Hinterhäuser die "Zauberflöte" gelten lassen, die in einer Neueinstudierung zurückkehrt. Von den Pfingstfestspielen übernimmt man wie üblich die Oper, heuer "Don Pasquale", von der Mozartwoche diesmal den "Messias", von den Osterfestspielen anlässlich des Jubiläumsjahres die "Tosca" mit Anna Netrebko in der Titelrolle, wobei es darüber hinaus noch keine Pläne für Kooperationen gibt. Mit dem künftigen Intendanten Nikolaus Bachler habe es "noch keine Annäherung" gegeben, so Hinterhäuser, der aber ebenso wie Rabl-Stadler betonte, sich bei den Osterfestspielen "überhaupt nicht einmischen" zu wollen. Ein Gespräch über das künftige Verhältnis der beiden Festivals werde sicher noch kommen, "weil es kommen muss".

Konzertant wird nach derzeitigem Stand auch im nächsten Sommer der von #metoo-Vorwürfen betroffene Placido Domingo in Salzburg auf der Bühne stehen - in Verdis "I Vespri Siciliani". Dies habe man programmiert, bevor die metoo-Debatte Domingo erfasst hat, so Rabl-Stadler, die unterstrich, dass man Domingo "hier nur als besonders wertschätzenden Star ohne Allüren" kenne. "Wir fänden es menschlich unfair und juristisch falsch, Urteile zu fällen, bevor die Causa dort geklärt ist, wo sie hingehört, nämlich vor Gericht."

Als zweite konzertante Oper ist Morton Feldmans "Neither" in der Kollegienkirche programmiert, als Teil der Reihe "Still life - Zeit mit Feldman".

„Jedermann“: Ganz Salzburg gefordert

Im Schauspiel huldigt man Gründervater Max Reinhardt und dem Phänomen des 100-jährigen "Jedermann". Neben dem eigentlichen Stück - heuer mit Caroline Peters als Tobias Morettis Buhlschaft - gibt es auch noch andere Tischgesellschaften zum Thema: Am Jedermann-Tag, dem 22. August, soll sich ganz Salzburg zu einer solchen verwandeln, darüber hinaus ist eine von Michael Sturminger eingerichtete Lesung mit allen Darstellern, die über die Jahre eine Rolle im "Jedermann" gestaltet haben, geplant.

Schauspielerin Caroline Peters, Schauspiel-Leiterin Bettina Hering, Präsidentin Helga Rabl-Stadler
Schauspielerin Caroline Peters, Schauspiel-Leiterin Bettina Hering, Präsidentin Helga Rabl-StadlerAPA/HANS PUNZ

Zwei Uraufführungen stechen aus dem Schauspielprogramm heraus. Die laut Schauspielchefin Bettina Hering "lange geplante" Uraufführung von Peter Handkes "Zdenek Adamec" werde in der aktuellen Kontroverse um den Nobelpreisträger Gelegenheit bieten, "sich erneut mit seinem dramatischen Werk auseinanderzusetzen". Das Stück, so Regisseurin Friederike Heller in einer Videoeinspielung, sei nicht zuletzt ein "Fest, das die Sprache feiert, das Miteinander Sprechen, auch über Widersprüchliches und Konfliktbeladenes". Als Darsteller sind unter anderem Matthias Brandt sowie Handkes Frau Sophie Semin angekündigt.

Die zweite Uraufführung stammt von Milo Rau und ist mit dem Titel "Everywoman" natürlich an die Jedermann-Vorlage angelehnt - auch hier lässt eine Protagonistin ihr exzessives Leben im Angesicht des Todes Revue passieren. Mit "Das Bergwerk zu Valun" inszeniert Jossi Wieler eines der kaum gespielten Jugendwerke von Hugo von Hofmannsthal. Noch nie in Salzburg zu sehen waren "Richard III" von Shakespeare und "Maria Stuart" von Schiller. Ersteres wird von Karin Henkel inszeniert, die erneut mit Schauspielerin Lina Beckmann nach Salzburg kommen - und zwar in der Titelrolle. Zweiteres zeigt Martin Kusej in der "mehr als festspielwürdigen Besetzung" von Bibiane Beglau als Elisabeth und Birgit Minichmayr als Maria als Burgtheater-Koproduktion auf der Perner Insel.

Konzertprogramm

Als dritte Säule der Festspiele - bereits seit 1921 - bietet das Konzertprogramm heuer wiederum seinen eigenen Bogen. Er beginnt wie üblich mit der Ouverture Spirituelle, heuer - "ganz im Zeichen des Gründungsgedankens", so Konzertchef Florian Wiegand - unter dem Motto "Pax". Die Huldigung des Friedens bringt freilich auch den Krieg und das Leid und beginnt beim Eröffnungskonzert der Festspiele unter Mirga Grazinyte-Tyla mit ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra mit Arnold Schönbergs "Friede auf Erden" sowie Benjamin Brittens "War Requiem". In weiterer Folge würdigt man die eigene Geschichte - etwa im Auftaktkonzert der Wiener Philharmoniker unter Mariss Jansons, den Jubilar Beethoven - mit Igor Levit, der acht Sonatenkonzerte spielt - und mit den üblichen großen Orchestergastspielen.

(APA)

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