Hubtechnik

Muskelprotze werden intelligent

(C) Liebherr
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Kräne gewinnen nicht nur an Höhe und Kraft, sie werden auch Teil des Internets der Dinge. Das ermöglicht Fernsteuerung, Fernwartung oder die Simulation potenziell gefährlicher Einsätze.

Es ist ohne Zweifel ein Ingenieursmeisterstück, das Mitte August im Hafen von Rostock auf dem Werksgelände von Hersteller Liebherr nach zwei Jahren Bauzeit in Betrieb genommen wurde. Mit seinen 164 Metern an Höhe avanciert der Kran zum zweithöchsten Bauwerk der Hansestadt. Beeindruckend ist am 5500 Tonnen schweren Modell TCC 78000 vor allem seine Kraft. Mit einer Hublast von bis zu 1600 Tonnen könnten zum Beispiel drei Airbus A380 gleichzeitig gehoben werden. Weil der Stahlgigant auch beweglich sein soll, wurden vier Gleisstränge mit einer Spurweite von 30 Metern am Hafen verlegt. Für die notwendige Stabilität sorgen 612 Bohrpfähle, die je 23 Meter tief ins Erdreich getrieben wurden. „Es ist definitiv einer der leistungsstärksten Hafenkräne der Welt“, sagt Liebherr-MCCtec-Rostock-Unternehmenssprecher Dieter Schmidt. Eine besondere, „kollegiale“ Aufgabe steht dem TCC 78000 noch in diesem Jahr bevor, wenn er den größten Offshore-Kran, den Liebherr je gebaut hat, auf ein Spezialschiff verladen soll. Letzterer kann sogar 3000 Tonnen heben und wird weltweit für die Installation von Windradanlagen auf hoher See benötigt.

Gesteuert per Computer

Die in Deutschland gegründete Unternehmensgruppe mit Hauptstandort in der Schweiz baut in der Sparte Kräne nicht nur auf Kraft. Einen Meilenstein in der Branche setzte man 1989 mit der ersten computergestützten Kransteuerung. Aktuell hat man mit Liccon2 (Liebherr Computed Control) eines der modernsten Computersysteme zur Steuerung und Überwachung von Mobilkränen im Programm. Die Software plant, simuliert und dokumentiert die Kraneinsätze nach Berechnung von Stützkräften und Windgeschwindigkeiten. Der Einsatzplaner ist zudem in der Steuerung der Krankabine installiert, sodass Hübe nicht nur am PC, sondern auch direkt auf der Baustelle simuliert werden können. Bei der Arbeit werden die Kranführer durch automatische Überwachung von Arbeitsbereichsgrenzen wie Brücken oder Dächer entlastet. Zum Standardpaket zählt ebenso eine Funkfernsteuerung, um alle Kranbewegungen außerhalb der Kabine steuern zu können.

Erweiterte Realität

Was die digitale Zukunft der Kranbranche alles zu bieten hat, zeigt auch der Salzburger Spezialist für hydraulische Hebe- und Ladevorrichtungen, Palfinger. Gesetzt wird beispielsweise auf ein Telematik-Programm mit zwei Anwendungen. „Zum einen gibt es den Fleet Monitor als Basis für ein professionelles Flottenmanagement. Er liefert einen Überblick über technische Details und Betriebszustände der einzelnen Fahrzeuge und Produkte sowie über die Gesamtflotte“, erklärt Hannes Hemetsberger, Head of External Communications. Die Plattform zeigt, wo welche Geräte gerade im Einsatz sind, wie viele Arbeitsstunden absolviert wurden und wie viel Zeit bis zum fälligen Service und den anstehenden Wartungsarbeiten verbleibt. Der zweite Teil der Telematiklösung, der Operator Monitor, versteht sich wiederum als mobiles Interface für den Kranfahrer, der den Status des Krans sowie den Arbeitsradius unter Berücksichtigung der aktuellen Abstützungssituation anzeigt. Über Videos, Text und Bilder stehen auf der App zudem Funktionsinformationen zu den Ladekränen und Hilfsanleitungen für Störfälle zur Verfügung. Wer sich einen virtuellen Überblick über die Kräne und Hebebühnen von Palfinger verschaffen will, kann seit Kurzem zur Augmented-Reality(AR)-App des Unternehmens greifen. „Damit lassen sich all unsere Produkte in 3-D darstellen, in Augmented und in Virtual Reality“, so Hemetsberger. Der AR-Modus ermöglicht es beispielsweise, Modelle auf den Konferenztisch im Meetingraum zu projizieren oder das Gerät vor dem Werksgelände darzustellen.

Vernetzte Kräne

Ein digitales Kundentool hat seit einigen Monaten ebenfalls das deutsche Unternehmen Böcker, weltweiter Pionier in der Aluminium-Leichtbau-Krantechnik, im Angebot. „Unser Portal BöckerConnect informiert Kranbesitzer online und in Echtzeit über ihren Fuhrpark und stellt auf einen Blick alle relevanten Daten der vernetzten Kräne zur Verfügung“, erklärt Geschäftsführer Alexander Böcker. Auf der Onlineplattform kann der Nutzer unter anderem jederzeit die aktuelle Position seiner Kräne einsehen und erhält eine konfigurierbare Diebstahlmeldung per E-Mail oder SMS, sobald sie einen zuvor definierten Aktionsradius verlassen. Zur Datenerfassung befindet sich in den Kränen ein Fernwartungsmodul, das die Informationen per Mobilfunknetz an eine zentrale Cloud überträgt. „Die kontinuierlich übermittelten Diagnosedaten und Sensorwerte sowie die im Portal hinterlegte Servicehistorie ermöglichen Fernwartung und technische Unterstützung durch unseren Kundenservice“, so Böcker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2019)

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