Kombinierter Verkehr

Keine Angst vor der Digitalisierung

WienCont: Dritter Kran f�r Containerterminal im Hafen Wien
WienCont: Dritter Kran f�r Containerterminal im Hafen Wien(c) Wiencont
  • Drucken

Eine stärkere digitale Vernetzung und Synchronisierung der verschiedenen Verkehrsträger verspricht enorme Einsparpotenziale bei Kosten und CO2-Ausstoß.

Im Logistikbereich geht die Digitalisierung mit Riesenschritten voran. Was sie aber beispielsweise im Bereich des kombinierten Verkehrs letztlich tatsächlich bringen wird, wie das Szenario in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, wagen Experten heute nicht zu prophezeien. „Wüsste ich das, würde ich nicht lehren, sondern die richtigen Aktien kaufen“, sagt Oliver Schauer, Studiengangsleiter Digitales Transport- und Logistik-Management an der FH Logistikum Steyr. Deutlich äußert sich auch Christoph Reissner von Nagarro Austria: „Natürlich wissen wir heute nicht sicher, wo wir im Bereich der Digitalisierung in zehn Jahren stehen werden.“

Kollaborative Plattformen

Zweifellos wird die Digitalisierung, da sind die Experten einig, zu einer wesentlich stärkeren Vernetzung und Synchronisierung des Güterverkehrs führen. „Es wird mehr Konnektivität geben, Verkehrsträger und Ladungsträger sprechen miteinander, das ermöglicht nachhaltigere Lösungen“, meint Schauer. In einer Art physischem Internet werde ein sinnvolles Neben- und Miteinander der Verkehrsträger entstehen. Die Analyse großer Datenmengen werde Muster erkennen lassen, aus denen sich die verschiedensten Optimierungen ableiten lassen. „Der Fokus kann zum Beispiel besser darauf gerichtet werden, für welche Güter über welche Distanzen welcher Verkehrsträger optimal ist“, sagt Schauer.

Solche kollaborativen Plattformen werden aber ein Umdenken aller Beteiligten erfordern, meint er: „In der Logistik glaubt man heute wissen zu müssen, wer wann was wie transportiert.“ In der digitalen Welt dagegen werden – ähnlich wie beim heutigen Internet – intelligente und miteinander vernetzte Systeme die logistische Kette bilden. Eine Veränderung, die zur Herausforderung wird: „Wir haben viele Studien gemacht, es zeigt sich, dass Technologien bereits verfügbar sind, aber die Bremse bei der Umsetzung vor allem im Kopf der Beteiligten ist“, berichtet Schauer. Man habe Angst, mit Mitbewerbern gemeinsam Strukturen zu nützen und Daten zu teilen. Dagegen gebe es aber ein gewichtiges Argument, meint der Studiengangsleiter: „Das Einsparungspotenzial der Digitalisierung ist enorm, bei den Frachtkosten, aber auch bei CO2.“

Reissner von Nagarro sieht die Schritte in die digitale Zukunft eher kundenbezogen. Das globale IT- Unternehmen, für das er arbeitet, hat seine Wurzeln in der Softwareentwicklung inklusive Testung. Es begleitet Unternehmen auf den Weg in die digitale Transformation. Kunden werden dort abgeholt, wo sie stehen: „Wir setzen auf einen eher pragmatischen Ansatz, Schritt für Schritt vom Use-Case über Piloten bis zu Umsetzung“, berichtet er. Zu den österreichischen Nagarro-Kunden zählen unter anderem ÖBB und Postbus.

Ein langer Weg

Im Verkehrsbereich sieht Reissner zwei Hauptsäulen für die Digitalisierung. Ein Bereich ist Customer Experience. Mit Kunden sind dabei sowohl interne Mitarbeiter als auch externe Zielgruppen gemeint: „Hier geht es um Arbeitserleichterung, um Echtzeitkomponenten, Wartungsarbeiten oder die Behebung von Schäden an Fahrzeugen.“ Bei der zweiten Säule gehe es um interne Abläufe und darum, Medienbrüche zu verhindern, aufwendige, manuelle Prozesse zu verbessern. „Da reden wir von Themen wie Big Data, Predictive Maintenance, Sensorik.“

Der Weg zur Digitalisierung erfolge auch im kombinierten Verkehr in quasi homöopathischen Dosen, meint der Experte: „Es geht darum, sich bei ersten Projekten mit den Technologien vertraut zu machen, die weiteren Schritte kommen dann von selbst.“ Der Fahrplan zur Digitalisierung sei bei jedem Kunden anders. Wichtig sei es, die richtige Technologie auszuwählen, damit das Unternehmen effizienter arbeiten könne. Was langfristig am Ende des Wegs stehe, könne man seriöserweise heute nicht sehen. „Aber natürlich weiß man, dass sich der Trend zur Digitalisierung verstärken wird, dass eine Kombination verschiedenster Technologien zum Zug kommen wird“, betont er.

Enorme Kostenvorteile

Schauer und Reissner referieren heute, Donnerstag, auf der 9. Combinet-Tagung in Wien über die Digitalisierung der Logistik im kombinierten Verkehr. Das Thema steht im Mittelpunkt der Tagung: „Alle reden von Digitalisierung, niemand weiß Genaues. Wir wollen mit der Veranstaltung aufzeigen, welche Chancen und welche Risken diese Technologien bieten“, sagt CombiNet-Obmann Andreas Käfer. Er ist überzeugt davon, dass allein aufgrund der gerade im kombinierten Verkehr gegebenen Kostenvorteile niemand an dieser Technologie vorbeigehen werde: „Der Rationalisierungseffekt ist enorm und dürfte bei 30 Prozent liegen.“

Die Digitalisierung werde den Menschen aber nicht ersetzen: „Es wird kein System für alle Lösungen geben, Menschen werden auch weiterhin den Menschen als Kontakt bevorzugen“, beruhigt Schauer. Die Technik solle dort unterstützen, wo es um repetitive Tätigkeiten geht. Intelligent genützt, werde die digitale Transformation letztlich Vorteile für alle bringen.

AUF EINEN BLICK

Unter dem Begriff „Kombinierter Verkehr“ wird eine mehrgliedrige Transportkette verstanden, an der unterschiedliche Verkehrsträger wie Lkw, Bahn oder Schiff beteiligt sind. Wesentlich dabei ist, dass an den Schnittstellen nicht das eigentliche Transportgut umgeladen wird, sondern lediglich die Transportbehälter. Wie sich diese Verkehrsträger via digitaler Technologien besser vernetzen lassen, ist Hauptthema der heute stattfindenden CombiNet-Tagung im Hotel de France in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.