Noch ein Traum des kinderlosen Noldes: „Familienbild“, 1947, Sammlung Johenning.
Leopold-Museum

Das böse Erwachen aus Emil Noldes Träumen

Aus zwei Privatsammlungen wurde eine attraktive Tour durch den deutschen Expressionismus-Kanon zusammengestellt. Inklusive aktueller Debatten (Noldes NS-Liebe) und mit besonderem Augenmerk auf zwei Malerinnen.

Rotblond und blauäugig, den Kopf lieblich zur Seite geneigt, blickt uns das Mädchen in stupender Naivität direkt an. Die Sonnenblumen in seiner Hand sind wohl für uns. Oder Adolf Hitler.

Bei Emil Nolde weiß man nicht mehr so genau. Seine typische dunkle Farbpracht hat ihre „Unschuld“ verloren, allerspätestens seit der Nolde-Ausstellung, die vor wenigen Wochen erst im Berliner Museum Hamburger Bahnhof zu Ende ging. Sie setzte der Legende des von den Nazis verfolgten, „entarteten“ Expressionisten, die in den vergangenen Jahren schon (braune) Schatten bekam, endgültig ein Ende. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte die Nolde-Leihgaben, die bis dahin in ihrem Büro hingen, nach der Ausstellung nicht mehr zurück.

Nolde träumte eben nicht nur vom exotischen Paradies, das er auf seiner Südsee-Reise suchte, sondern auch davon, NS-Staatskünstler zu werden. Was ihm trotz vieler Bemühungen nicht gelang, er bekam in der ersten „Entartete Kunst“-Ausstellung sogar einen Ehrenplatz, was er für einen großen Irrtum hielt. Empfand er seine Kunst doch als so „deutsch, stark, herb und innig“. Den verfemten Stil gab er trotz aller Nachteile – er durfte offiziell zumindest nicht mehr verkaufen – trotzdem nicht auf. Wie ideologisch die Motivik ist, darüber lässt sich in Einzelfällen streiten.

Es gab kein „Malverbot“ für Nolde

Das Leopold-Museum geht dieser aktuellen Debatte nicht aus dem Weg, darf es auch nicht, besteht doch etwa ein Viertel seiner morgen anlaufenden großen Expressionismus-Ausstellung aus Gemälden und Aquarellen Noldes. In den Ausstellungstexten werden Ambivalenzen wie manche (frühen) jüdischen Porträtmodelle sowie seine frühe Nazi-Anhängerschaft und die spätere Selbstinszenierung als Opfer problematisiert. Umso ärgerlicher die Ungenauigkeit im Katalog, wo man wieder auf das von ihm selbst lancierte „Malverbot“ stößt, das es nie gab. Es war ein Berufsverbot, das macht einen Unterschied, vor allem in Bezug auf die auch durch die Literatur („Deutschstunde“ von Siegfried Lenz) als Symbole des Widerstands verherrlichten „Ungemalten Bilder“ (bei Nolde auch vor der NS-Zeit übliche Bilderskizzen, ebenfalls in der Schau vertreten). Nolde malte durchaus, soweit er eben im Krieg Material beschaffen konnte.

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