Südamerikas Linke beklagt „Staatsstreich“ in Bolivien, übergeht aber, dass Evo Morales die Wahl fälschte und sein Antreten illegitim war.
Buenos Aires/Sucre. Kurz nachdem Evo Morales am Sonntagabend seinen Rücktritt als Präsident Boliviens erklärte, begann in aller Welt die Bewertung der dramatischen Vorgänge in dem Andenland. Venezuelas Machthaber, Nicolás Maduro, schrie als erster „Putsch“, dann sekundierten die Compañeros aus Kuba und Nicaragua, gefolgt vom Brasilianer Lula, Ecuadors Ex-Präsidenten Rafael Correa, Mexikos Präsidenten Andrés López Obrador sowie Argentiniens künftigem Staatschef Alberto Fernández.
Ihr Argument: Die Weigerung von Polizei und Streitkräften, Morales' Schießbefehl gegen die immer heftigeren Protestaktionen auszuführen, sei eine illegitime Unterbrechung der Verfassungsmäßigkeit, auch wenn die Militärs nicht die Macht an sich rissen wie in düsteren Jahrzehnten Lateinamerikas im vorigen Jahrhundert.
Dieser Argumentationslinie schlossen sich nicht nur dezidierte Linke an, auch Susana Malcorra, langjährige UN-Diplomatin und erste Außenministerin der liberalen Regierung des Argentiniers Mauricio Macri, vertrat diese Position. Macri freilich ist anderer Auffassung, so wie die meisten Staatschefs der Region, die Organisation Amerikanischer Staaten OAS und die UNO. Ihre Zurückhaltung gründet auf der Frage nach der Legitimität des Präsidenten Morales.
Als „el Evo“ 2005 gewählt wurde, erlaubte die Verfassung wie die meisten Grundgesetze in Lateinamerika dem Präsidenten keine zwei Amtszeiten in Folge. In einem Kontinent mit anfälligen Institutionen sollte das als Bremse dienen gegen die Versuchung, sich an der Macht zu verewigen.
Doch Morales (60) schaffte es mit dem Rückhalt der indigenen Bevölkerungsmehrheit, eine neue Verfassung zu erlassen – und damit auch die Möglichkeit einer Wiederwahl des Präsidenten. Diese gelang ihm 2009 mit beeindruckenden 64 Prozent der Stimmen. Diese Verlängerung war wohl legitim.