Debatte

Zwölf "Presse"-Leser, zwölf Meinungen zu Türkis-Grün

AUSTRIA-POLITICS-GOVERNMENT-ELECTIONS
AUSTRIA-POLITICS-GOVERNMENT-ELECTIONSAPA/AFP/JOE KLAMAR
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Wollen die Österreicher eine türkis-grüne Koalition? Bringt sie unser Land weiter? Zahlreiche Leserbriefe haben uns zum Thema erreicht, wir bringen einen Auszug.

»"Lieblingskoalition führender Journalisten"«

Türkis-Grün ist offensichtlich die neue Lieblingskoalition führender Journalisten und Meinungsführer. Ihnen war Türkis-Blau stets ein Dorn im Auge. Der Bevölkerung hingegen nicht. Die Zustimmung zu Türkis-Blau lag über 60 Prozent.
Eine Phalanx aus einer nicht näher bekannten Gruppe, die mit einem „zivilgesellschaftlich motivierten Projekt“ eine beliebte Bundesregierung abmontierte, und Medien, welche mit der Warnung vor einer vermeintlichen Klimakatastrophe die Menschen verängstigen, wird Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit Türkis-Grün bescheren. Obwohl die FPÖ nach wie vor mehr Stimmen als die Grünen hat.
Teile der Grünen behaupten allen Ernstes, Österreich, welches lediglich für rund 0,2 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, könne messbaren Einfluss auf das globale Klima nehmen. Durch CO2-Steuern und andere wirtschaftsschädigende Gebote und Verbote einer Partei mit liberaler Camouflage. Logik ist offensichtlich ein unnötiger Luxus.
Die ÖVP ist hingegen inhaltlich und ideologisch extrem flexibel. Sie profitiert von der Vergesslichkeit der Wähler. Dass die ÖVP das Migrationsdesaster von 2015 mit zu verantworten hat, Saudiarabien mit der Eröffnung des König-Abdullah-Zentrums den roten Teppich ausrollte und Kurz noch 2014 ein Burka-Verbot ablehnte, haben die Wähler vergessen. Es war primär der Druck vonseiten der FPÖ, welcher die türkise ÖVP und die erfolgreiche Vorgängerregierung ermöglichte. Die ist Geschichte. Dass das wirklich ein Fortschritt für Österreich ist, darf bezweifelt werden.
Mag. Dietmar Rausch, 1130 Wien

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Zum Leitartikel „Warum Türkis-Grün ein Fortschritt für Österreich wäre“von Rainer Nowak

Leider kann ich in Ihrem Leitartikel keine Argumente finden.
1. Dass die gemeinsame Sondierungstätigkeit zu konstruktivem Gesprächsverhalten der Akteure führt, ist wohl wenig schwergewichtig und war laut mehrfachen Kurz'schen Bekundungen bei Schwarz-Blau bereits vorhanden.
2. Dass jetzt ebenso viele Kompromisse bzw. Streitereien wie früher unter Rot-Schwarz die Regierungsarbeit behindern könnten, scheint vergessen zu sein.
3. Bleibt eine persönliche und mediale Wunschhaltung, die freilich schon lang bekannt ist und die von einer nur kurz unterbrochenen linken Gesellschaftspolitik in Österreich seit 1970 offenbar noch nicht genug hat.
Dr. Dieter Weyrich, 1040 Wien

Für Ihren Leitartikel muss ich mich bedanken, er ist wie Balsam auf die Seele. Ich sehe ihn geradezu als notwendig an in Anbetracht der politischen „Kultur“ in den letzten zwei Jahren. Möge er viele Bürger, vor allem die politischen „Würdenträger“ erreichen, damit sie den Weg des Gräben-Zuschüttens suchen und finden. Man möchte als Bürger dieses Landes wieder aufatmen können.
Dr. Hugo Rohregger, 1040 Wien

Nun, von allen Medien wird Sebastian Kurz „Grün“ an die Brust gedrückt. Vom ORF ist man das ja gewohnt! Aber von der „Presse“?
Wenn Sebastian Kurz die nächste Wahl verlieren möchte, dann möge er sich den Pragmatismus der Grünen, im Leitartikel wird Boris Paulsen als Beispiel genannt, aneignen. Als Oberbürgermeister von Tübingen tritt er für Enteignung von Grund und Boden ein, um Wohnungen zu bauen. Eine große wirtschaftliche Erkenntnis hat ihn dabei getrieben. Seine Kollegen in Berlin haben schon seinen Rat angenommen.
Bei einer Koalition muss man auch dem kleinen Partner Gestaltungsraum geben, aber um jeden Preis? Man kann von Tübingen lernen. Dort hat die CDU viele Fehler begangen, die nun Boris Paulsen ausnützt! Sein Pragmatismus passt aber nicht auf die erste Seite der „Presse“!
Sebastian Kurz darf sicher nicht solchen Rat annehmen!
MR Dr. Rudolf Wrba, 2273 Hohenau

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»"Will man zurück zur vorindustriellen Gesellschaft?"«

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen pochen also die Grünen auf eine „ernsthafte Wende in puncto Klimaschutz, inklusive einer Ökologisierung des Steuersystems“. Nun, wir Techniker machen seit 40 Jahren nichts anderes, als den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu reduzieren und die Belastung der Biosphäre mit Schadstoffen zu minimieren. Häuser werden gedämmt und mit Solaranlagen versehen, Motoren verbrauchen immer weniger Brennstoff, Elektrogeräte immer weniger Strom, und die Industrie ist durch restriktive Normen und gesetzliche Vorschriften an den Rand der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gelangt.
Luft und Gewässer sind dank Filtern und Kläranlagen sauber wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Unser Wald, der inzwischen fast die Hälfte des Bundesgebiets bedeckt, wächst kontinuierlich und bildet eine hochwirksame CO2-Senke, d. h. er bindet Kohlenstoff und setzt Sauerstoff frei. Wären Länder wie die USA, China oder Indien in puncto Umweltschutz ähnlich aufgestellt wie Österreich, brauchten wir die ganze Klimadiskussion in dieser Form nicht.
Welche „ernsthafte Wende“ wollen die Grünen denn herbeiführen? Auch „green economy“ braucht Bergbau, mineralische Rohstoffe und eine Schwerindustrie als Basis. Will man zurück zur vorindustriellen Gesellschaft? Im Windschatten der irrationalen Zivilreligion, die mit einer Greta Thunberg das Ende der Menschheit herbeifantasiert, dürfte es einer türkis-grünen Regierung vor allem um neue Steuern, Verbote und Belastungen der Bürger gehen.
Dipl.-Ing. Werner Grandl, 3430 Tulln

Dass eine Koalition mit den Grünen gut gehen wird, bezweifelt ein Großteil jener Wähler, die in Kurz einen soliden Neuanfang sehen. Besonders jene Freiheitlichen, die nach den bekannten Skandalen ÖVP gewählt haben, werden sich zurückziehen. Türkis-Grün ist keine Lösung für Österreich.
Sebastian Kurz kann diesen Weg nur gehen, wenn er Österreich den Rücken kehren will und seine Zukunft in Brüssel erblickt.
Dr. Hans Jörg Schachner, 3390 Melk

»"Politisch kann man sich nur progressive Parteien wünschen" «

Das Klimathema, genau wie so viele andere Themen werden sowieso von der EU vorgegeben. (nach Zustimmung der öst. Bundesregierung in Rat und der Parlamentarier im Parlament)
Da ist es komplett irrelevant ob die einzelnen Parteien das wollen oder nicht. Die EU Klimaziele sind vertraglich festgelegt und mit Konsequenzen beim Verfehlen der Ziele hinterlegt. Ähnliches gilt für die Kyoto Verträge und das Pariser Klimaabkommen ab 2020.
Wir haben 20 Jahre in den meisten Bereichen (nicht Emissionshandel) nichts gemacht und jetzt muss halt eine Rosskur her.
Politisch kann man sich nur stabile Verhältnisse wünschen und 2 progressive Parteien die endlich alle Problemfelder Österreichs angehen (Pensionen, Gesundheit, Pflege etc.) und die parlamentarische Demokratie stärkt indem die Öffentlichkeit und das Parlament mehr eingebunden wird.
Man wird sehen was alles möglich sein wird um Österreich endlich zu einem modernen Staat zu machen der in der Umwelttechnik, Digitalisierung und bei Zukunftsthemen wieder ganz vorne mitmischt anstatt immer weiter zurückzufallen.
Online-User gandi80

Beide Parteien dürfen nicht vergessen, dass sie nun einen Wählerzustrom erhalten haben, welcher nun eine Zusammenarbeit ermöglicht und auch erhofft. Voraussetzung für diese Zusammenarbeit (Koalition) ist allerdings, dass beide Parteien auch Kompromisse und zum Teil auch Abstriche von den bisherigen ideologischen Parteilinien hinnehmen und akzeptieren müssen.
Es ist in dieser Nationalratswahl eine gänzlich neue Situation entstanden, welche auch neue Überlegungen im Sinn eines gemeinsamen Regierens erfordert.
Ing. Ernst Pokorny, 4050 Traun

»"Beide Parteien sollen bei ihren Kernthemen bleiben (dürfen)."«

Die Grünen wissen, dass sie in der Regierung mehr bewirken können, als in der (bequemeren) Opposition. Sie sollten ihre Chance nützen. Kurz wird Zugeständnisse machen, das musste er bei den Blauen auch. Kogler wird noch mehr Zugeständnisse machen müssen, wenn er nicht einem unrealistischen Größenwahn unterliegt. Beide Parteien sollen bei ihren Kernthemen bleiben (dürfen) und wo kein Kompromiss zustande kommt, kann ein Konsens gefunden werden.
User Zwölfström

So lange sich alle auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und die jeweiligen Ressorts übernehmen, vernünftig und mit Hirn verhandelt wird, wo Zugeständnisse an den eventuellen Koalitionspartner sinnvoll sind diese auch gemacht werden und nicht auf stur geschalten wird, sehe ich daran absolut nichts negatives. Eine solche Regierung würde einen wesentlich größeren Teil der Bevölkerung vertreten als die vorhergegangenen. Alles in Begriffe wie rechts und links zu unterteilen, und jedwede Idee der Seite derer man sich nicht zugehörig fühlt zu verteufeln, sei diese bei objektiver Betrachtung auch noch so gut, zeugt nicht gerade von Intelligenz. Zum Glück scheinen sich weder Türkis noch Grün so zu verhalten... Nur viele ihrer Anhänger sowie teile der blauen Wählerschaft.
Ich bin jedenfalls gespannt und wünsche beiden Parteien fruchtbare Verhandlungen.
User KingOfAngmar

»"Die Grünen zerreißt es"«


Wenn die ÖVP bei der Migrationsfrage ihre Linie hält, dann kann es zu keiner Koalition mit den Grünen kommen. Die Grünen zerreißt es, wenn die Führung versucht, auch nur einen Teil der ÖVP-Linie in diesem Bereich mitzutragen. Und Kogler weiß das und wohl noch vieles mehr, denn bei der Pressekonferenz nach dem einstimmigen Beschluss seiner Grünen hat er alles andere als erleichtert ausgesehen.
User Ogledala

So verständlich der Wunsch der Grünen ist, endlich auch in einer Bundesregierung ihre Inhalte umzusetzen, müssen sie bei dieser Entscheidung auch die immense Gefahr der Übervorteilung durch den enormen, mittlerweile perfekt eingespielten Apparat der türkisen Mannschaft berücksichtigen. Bei einer Beteiligung an einer von Sebastian Kurz geführten Regierung laufen die Grünen immer Gefahr, wesentliche Haltungen und Vorhaben zu verraten und dadurch ihre durch den jüngsten Wahlerfolg wiedererlangte und gestärkte Position im Nationalrat zu verspielen. Schon in der Antwortrede bei der Erteilung des Regierungsbildungsauftrags ließ Kurz deutlich erkennen, dass er nicht gewillt ist, von seinem Kurs abzuweichen!
Obwohl es ein dringendes Anliegen ist, eine Beteiligung der FPÖ an einer Regierung zu verhindern – der Regierungseintritt der Grünen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Kurz mit seiner Mannschaft, Mitte-rechts-Ziele, Fortsetzen des restriktiven Migrationskurses) würde das wiedererstarkte Projekt der Grünen nachhaltig gefährden und wäre ein zu hoher Preis!
Dr. Franz Wernitznig, 1220 Wien

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