Zweiradracer

Aston Martin: Helm auf und Knie an den Asphalt

Ein Aston Martin auf zwei Rädern als Hommage an eine schillernde Vorkriegsmarke: Brough lebt!

Bevor man sich bei der Aussprache den Schnabel verrenkt: Man sagt „Braff“, kurz und grad. Diese längst versunkene Marke Brough feiert ein glänzendes, zumindest gebührendes Comeback – Jahrzehnte nach ihrer Zeit, in einem anderen Land, aber immerhin mit englischer Schützenhilfe und defintiv im Geist ihres Schöpfers. Brough Superior baute die schnellsten und wohl auch teuersten Bikes der Vorkriegszeit, für sein Spitzenmodell SS  100 – nomen est omen – stellte Gründer George Brough 1930 eine Art „100 mph“-Garantie aus: Wer sich traute, würde damit 160  km/h erreichen, Hand drauf!

Writers & Authors - T.E. Lawrence - 1927 =
Writers & Authors - T.E. Lawrence - 1927 =(c) PA / picturedesk.com (PA)



Die Motoren kaufte Brough bei den führenden Herstellern im Land zu, hauptsächlich J.A.P. und Matchless, freilich „nach eigenen Spezifikationen“ hergestellt. Enthusiasten und Sammler bewundern seither die Handwerkskunst, die in jedem der nur ingesamt 3000 gebauten Exemplare lebt. Dass sich um den Kaufpreis damals auch kleine Häuser ausgingen, scherte George Brough wenig. Er sah seine Marke als Rolls-Royce des Motorradbaus, in ästhetischer und funktionaler Hinsicht kannte er keine Kompromisse. Jay Leno ist einer der prominenten Verehrer von Broughs Schaffen, bei einer Folge seines YouTube-Kanals über die SS 100 – er besitzt gleich acht Exemplare – bekommt man einen Eindruck vom Anspruch und von der technischen Extravaganz der Maschinen. Auf welcher Art von Straßen man in den 1930ern mit einer Brough Superior im vollen Galopp unterwegs war, muss freilich schleierhaft bleiben. Broughs Kundschaft war offenbar aus einem anderen Holz geschnitzt.

Brough Superior SS100 von 1939
Brough Superior SS100 von 1939(c) Mortons Archive / Action Press / (Mortons Archive)

Wie ein gewisser T. E. Lawrence, der als englischer Offizier im Ersten Weltkrieg die Araber gegen die osmanische Besatzungsmacht aufhusste und so zum gefeierten „Lawrence von Arabien“ wurde. Dass der Mann dann miterleben musste, wie die Wüstensöhne, seine Gefährten und Verbündeten vieler Guerillakommandos, hernach auf dem grünen Tisch der Kolonialpolitik von England und Frankreich verraten wurden, steht auf einem anderen Blatt (zum Beispiel in Lawrences Wälzer „Die sieben Säulen der Weisheit“, zu dessen Lektüre Jay Leno mahnt, auch wenn er selber nicht durchhielt). Der Kriegsheld seinerseits, der keiner sein wollte, verfiel nach seiner Rückkehr vollends der Leidenschaft am Biken, zuvorderst den Maschinen des George Brough – er trug fast so viele zusammen wie Jay Leno 60 Jahre später. 1935 kehrte er von einer Ausfahrt nicht mehr zurück – wir lasen von Buben auf ihren Fahrrädern, hörten bei Jay Leno von einem betrunkenen Postler, jedenfalls misslang ein Ausweichmanöver, und Lawrence stürzte schwer. Die Prominenz des Opfers animierte die Ärzteschaft, tagelang mit allen Mitteln um sein Leben zu kämpfen, letztlich vergeblich. Oder auch nicht. Der aufsehenerregende Unfall eines Nationalhelden warf ein Licht auf die schaurige Unfallbilanz des motorisierten Zweiradverkehrs im Land. Die Todesursache in drei Vierteln aller Fälle: schwere Kopfverletzungen, vor denen die in Gebrauch befindlichen Mützen und Käppis jener Tage naturgemäß keinen Schutz boten. Der leitende Mediziner empfahl einen Kopfschutz mit harter Schale und weichem Kern – der Motorradhelm erblickte das Licht der Welt. Als Erstes ließ die Army ihre Kradfahrer Helme aufziehen, eine Frühform der Helmpflicht, wie sie heute höchstens von den „Sons of Anarchy“ in Frage gestellt wird.

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Wie so vielen pfuschte der Krieg auch George Brough ins Handwerk, sein Betrieb musste Teile fürs Militär produzieren, 1940 verließ die letzte Maschine das Werk. Die Produktion kam nach dem Krieg nicht mehr in Schwung. Brough starb 1970 in einem für Hardcore-Biker biblischen Alter von 79.

(C) Werk

Seit 2016 firmiert wieder ein Motorradbauer als Brough Superior, diesmal in Toulouse, Frankreich, unter der Regie von glühenden Fans der Urmarke. Mehrere Modelle in Anlehnung an die alten sind seither entstanden, nun setzt eine hochkarätige Kollaboration den Tusch. Bei Aston Martin sind schon allerlei Entwürfe vom Stapel gelaufen, die ohne vier Räder auskommen, so eine Jacht, ein U-Boot, Fluggeräte. Mit dem jüngsten Designprojekt bleibt man näher am Fach des Automobilbauens, denn immerhin zwei Räder hat das Teil ja. Und es wird verflucht schnell sein, wenn die AMB 001 im nächsten Jahr ihren Einstand auf der Rennstrecke feiert. Die Aston Martin Brough Nummer eins (was den Hinweis enthält, weitere Modelle könnten folgen) belebt dabei nicht nur eine versunkene, einst so glorreiche Marke wieder, sondern auch ein Motorenprinzip, vor dem man sich zuletzt in den 1980ern gefürchtet hat: Turbo. Freilich ohne die Tücke der alten Geräte, die auf das Turboloch oft unpassend den vollen Hammer folgen ließen. Man wird sehen, hören, staunen.

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Nur für die Rennstrecke:

Das Bike für vermögende Zweiradracer mit Sinn für Ästhetik und ohne Angst vor Ausritten ins Kiesbett. Oder es bleibt gleich in der Sammlergarage.

Name : AMB 001
Preis : 108.000 Euro
Motor : V2-Zylinder-Turbo, 997 ccm
Leistung : 180 PS
Gewicht : 180 kg
Auflage : 100 Exemplare
Gebaut bei : Brough Superior, Toulouse, FRA

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