Ungleiche Brüder: BMW Isetta trifft BMW X4M Competition

(c) Juergen Skarwan
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Es waren eben Jahre, da gab man es kleiner als heute. BMW als Kugel und als Koloss.


Zum Kleinwagenbauer fühlte sich BMW nie berufen – selbst wenn es ein bescheidenes Gefährt war, durch das die Marke vom Motorrad- zum Autohersteller aufstieg. Mit der Übernahme des Automobilwerks Eisenach hatte man ab 1928 den in englischer Lizenz gebauten Dixie an der Hand. So niedlich, wie er klingt, sah er auch aus. Es war halt ein Anfang.

Dass man aber immer hoch hinaus wollte, technisch wie ästhetisch weit über den Niederungen des gemeinen Gewusels auf den Straßen, mag am Ursprung der Marke als Hersteller von Flugzeugmotoren liegen. Der kurz vor dem Krieg lancierte BMW 328 war ein traumhafter Roadster, auch nach heutigen Maßstäben eindrucksvoll zu fahren mit seinem drehmomentstarken Reihensechszylinder. Als Sport- und in Varianten auch als Rennwagen zählt der 328 zu den besten seiner Zeit. Die Reihe 501/502, Spitzname Barockengel, war nach dem Krieg technisch nicht mehr ganz taufrisch, aber alleweil ein begehrtes Stück fahrbaren Luxus – neben Reihensechser auch mit V8, dem ersten seiner Art im Nachkriegsdeutschland. Und mit dem 507 hatte man Mitte der Fifties einen Roadster in Arbeit, V8 only, der es aus dem Stand in den Rang der Ikone schaffen sollte.

Aber da war die Firma kurz vor der Bruchlandung. Von den Edelgeschöpfen verkaufte man nur in handverlesener Stückzahl, an die paar wenigen mit viel Geld, und noch dazu stimmte die Marge nicht. Das Werk Eisenach im ostdeutschen Thüringen: sowieso ein Totalverlust an die Sowjets.



Für die gerade anlaufenden Wirtschaftswunderjahre brauchte es billige, zweckmäßige Fahrzeuge. Die gab es bei BMW aber nicht – und auch kein Geld, sie zu entwickeln. So flog man aus in München, sah sich um im Ausland und landete schließlich in Mailand bei der Firma Iso Rivolta.
Was der ehemalige Kühlschrankhersteller („Isothermos“) auf die Räder gestellt hatte, war ein clever ausgetüfteltes Geschöpf seiner Zeit – die Iso Isetta verkörperte minimalsten Materialeinsatz, aber grad noch ein Auto. Dass man nicht von Kühlschränken kommen musste, um sich diese Art des Einstiegs auszudenken, durch eine Klappe an der Front, belegen die Konstruktionen anderer Hersteller von Kabinenrollern – die waren mitunter zum gleichen Ergebnis gekommen. Die Kinematik des samt Säule mit der Tür mitschwenkenden Lenkrads war nicht ohne Charme (freier Einstieg!), und einen passenden Motor hatte BMW durch seinen Motorradbau schon im Haus. Mit 250 Kubikzentimeter würde man einen Autoführerschein, den die wenigsten hatten, nicht brauchen. BMW kaufte die Lizenz. Nun hatte man ein kleines Auto – ein sehr kleines zwar, aber wie flötete die Werbeprosa in der Isetta-Broschüre: „Im eigenen Fahrzeug – nicht mehr an den Fahrplan gebunden sein, die Reiseroute selbst bestimmen zu können – nicht wahr, das wär's!“
Das war's wirklich, jedenfalls für ein paar kugelrunde Jährchen. Iso hatte Lizenzen in vier weitere Länder verkauft, aber in Deutschland lief's mit Abstand am besten. Wohl weil die Ingenieure in München das Konzept der Italiener als Arbeitsgrundlage sahen – und die Konstruktion laufend und maßgeblich verbesserten. Schon für das zweite Jahr auf dem Markt, 1957, wurde gehörig nachgerüstet, wie die originale Isetta-Broschüre zu berichten weiß: „Als neueste Verbesserung des Fahrkomforts ist die neue Einzelradfederung an der Vorderachse mit teleskopartig angeordneter Schraubenfeder und doppelt wirkendem Stoßdämpfer zu bezeichnen.“
Zum Cabrio – anstelle der Panoramaheckscheibe aus Plexiglas ein schlichtes Verdeck – kam das vollausgestattete „Export“-Modell mit Lufthutzen an der Einstiegstür – im Look der typischen BMW-Nieren, spätestens dies wohl Symbol der liebevollen Aufnahme in die Familie, Italo-Lizenz hin oder her. Und mehr Power wurde aufgetischt: Ein 300er-Einzylinder stellte mit nunmehr 13 PS quasi die M-Variante der Isetta dar.

Was die Rutsche ins Hier und Heute legt. Es läuft für BMW dieser Tage. Auf Premiumterrain misst man sich eigentlich nur mit Mercedes. Wie zu Isettas Zeiten ist es die kleinste Baureihe, die bei BMW die meisten Stückzahlen macht (1er). Aber mehr als ein Drittel des gesamten Absatzes (und zweifellos die viel höhere Marge) bringen die begehrten, mittlerweile sieben X-Modelle.

X4 bis X7 (BMWs neuer King of the Hill) laufen im Werk Spartanburgh, USA, vom Band. Auf Rekordniveau auch der Absatz der M GmbH, Spezialist für Go-faster-Versionen nahezu aller Baureihen des Hauses. Was mit einem Zufallstreffer – dem ersten M3 als Homologationsmodell für den Rennsport, ein überraschender Publikumserfolg – im Jahr 1986 begann, ist heute höchstes Rangabzeichen der Bayern, quer durch die Palette. Freilich schwer vorstellbar, wie man den M-Leuten von damals eine Kreation wie den X4M erklärt hätte: Ein Plus-Zweitonner mit unvermeidlich hohem Schwerpunkt, das bringt nun einmal keine guten Anlagen für die Querdynamik mit. Gegenfrage Marketing: Wen kümmert's? Wo ein Kunde, da ein Modell, und so packten die Ingenieure alles an Material und Tricks in den X4, um ihn auf der Nordschleife nicht nach der fünften Kurve ermattet in den Wald fliegen zu lassen. Extremer Sturz an den Vorderrädern und alle elektronischen Finessen des Torque Vectoring wappnen für das SUV-Feindesland Kurve, nach Maßstäben der Gattung halt.

Ein Turbo-V8, wie er im M5 wütet, kam als Antrieb nicht in Frage, weil man die Extra-kilos gerade in der Intimzone über der Vorderachse nicht brauchen kann. So griff man auf den rundum verehrten Reihensechser mit drei Liter Hubraum zurück und massierte ihn mit viel Liebe und noch mehr Hightech auf 480, in Competition-Ausführung 510 PS. Dazu das übliche Repertoire des gehobenen Rallyestreifentums. Von Schwellern an allen Ecken und Enden und schwarzem Hochglanzkühlergrill reden wir gar nicht – beleuchtete M-Signets in den Sitzschalen? You name it! Es ist halt die Zeit, in der alles geht, auch oder vor allem jene Dinge, die die Welt nicht so dringend gebraucht hat. Ottakrings erhobene Daumen sind dir sicher.

Weniger sicher war, wie die Sache für BMW ausgehen würde, damals. Die Isetta war mit schlussendlich 161.728 verkauften Exemplaren sagenhaft erfolgreich für ihre Gattung, aber ihr Ende war schon früh abzusehen. Richtige Autos würden es bringen, und dazu zählte schon der Käfer. Aber Kugelchen hatte BMW Zeit gekauft. Die viersitzige Isetta 600 als Nachfolgerin traf es nicht ganz, mit Kühlschranktüren war man einfach durch. Der BMW 700, an dem der Österreicher Wolfgang Denzel entscheidend mitwirkte, hatte schon eher die Qualitäten, die Perspektiven der Marke darzustellen – und er verkaufte sich gut. Dann war schon Quandt mit seinem Kapital zur Stelle (ein gutes Investment, aus heutiger Sicht): Die Übernahme durch Daimler wurde 1959 abgewehrt, und BMW startete in ein neues Leben durch. In dem finden heute locker auch Entgleisungen wie der X4M ihren Platz.

Leopold Wolf ist der Besitzer unseres kugelrunden Fotomodells. Zwei Jahre lang hat er die Isetta 300 in der für Österreich seltenen Vierradausführung restauriert (mit drei Rädern galt sie als Moped und konnte günstiger und ohne Schein gefahren werden). Gang eins und zwei sind immer noch Hunde, aber wenn einmal die Vierte drin ist, das Werkl marschiert und man schon von Fernfahrten träumt, macht sich Freude breit, eine demütige Art von Freude.

(c) Juergen Skarwan

Schmalzkrapfen:

Ein Dokument der Ratlosigkeit, was man in all dem Überfluss noch machen könnte. Als Sportler wegen des hohen Schwerpunkts eher wertlos.

Name : BMW X4M Competition
Preis : 120.995 Euro
Motor : R6-Zylinder-Turbo, 2993 ccm
Leistung : 510 PS
Antrieb : Allrad
Gewicht : 2045 kg (EU)
0–100 km/h : in 4,1 Sekunden
Vmax : 285 km/h
Verbrauch : 13,5 l/100 km im Test

(c) Juergen Skarwan

Butterkeks:

Liebenswertes, skurriles Kugelchen als Relikt einer Zeit, in der alles knapp war. Wir vermuten: Isetta-Fahrer waren trotzdem fröhliche Menschen.

Name : BMW Isetta 300
Preis : ca. öS 20.000 (Neupreis 1957)
Motor : Einzylinder, 295 ccm
Leistung : 13 PS
Antrieb : Hinterrad
Gewicht : ca. 350 kg (DIN)
0–100 km/h : niemals
Vmax : 85 km/h
Verbrauch : 3,7 l/100 km laut Prospekt

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